Why Uncle Scrooge doesn’t have a mobile phone

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Published in: newspaper LOBBY / lobster


 

Gustav Gans (der „schöne Gustav") gehört zu den ersten in Duck's City, die mit einem Händy herumlaufen. Man sieht ihn lächelnd am Tresen von „Charly's“ lehnen, die Linke lärmschützend über dem unbenutzten Ohr, oder er telekommuniziert auf der Rolltreppe von „Duck's All“. Sogar auf der Herrentoilette dieses größten Kaufhauses in Duck's City hat er sein Ohrly* zur Hand. Er sagt, er braucht das, um für Daisy immer erreichbar zu sein.
Daisy Duck ist bekanntlich die schönste Ente der Stadt, und man weiß, daß sie sich zwischen Gustav und Donald nicht entscheiden kann. Gustav ist amüsant, gebildet, fast schon ein bißchen europäisch, aber eben ein Glücksritter. Donald hat dagegen, obwohl meistens arbeitslos, den sex appeal eines echten republikanischen Erpels: treuherzig, jähzornig, zupackend. Eben ein Kerl wie aus einem Western. Er geht wie John Wayne. Nicht gewußt? Doch, Donald geht wie John Wayne. Aber sein Auto sieht aus wie ein Trabi. Für Donald ist es · ein schwerer Schlag, als er hört, daß Gustav mit übergeschlagenen Beinen im „Charly's“ sitzt, „Cola on the rocks“ trinkt und stundenlang mit Daisy teleplauscht. Was bleibt ihm da anderes übrig, als sich auch ein Calli* anzuschaffen?
„Jetzt läuft auch Onkel Donald mit so einem Yuppielutscher* rum,“ meint Tick zu seinen Brüdern, als sie sich zum Zeitungsaustragen aufmachen.
„Dabei ist er doch wirklich kein Yuppie!“ pflichtet Trick bei. Onkel Donald kann den Kindern natürlich nicht zugeben, daß er in Daisy unsterblich verknallt ist. Auf keinen Fall. Dabei weiß das sowieso jeder. So legt er sich eine andere Erklärung dafür zu, daß er nun dauernd ein Porty* mit sich herumträgt.
„Der moderne Erpel,“ führt er am Frühstückstisch aus, „braucht ein Sacki*, um immer überall erreichbar zu sein. Je wichtiger eine Person ist, um so erreichbarer muß sie sein, klarer Fall!“ „Das sieht man am amerikanischen Präsidenten!“ sagt Tick. „So ist es!“ meint Onkel Donald. „Über das rote Telefon ist er zu jeder Tageszeit für jeden Bürger erreichbar.“ „Und Nachtzeit!“ ergänzt Tick. „Und Nachtzeit! Genau !“ bestätigt Onkel Donald und fährt fort: „Was sollen die Leute machen, wenn sie mich wegen der alljährlichen Säuberung des Swimmingpools um Rat fragen wollen, oder wie man am besten eine Katze vom Baum holt, oder den Rasenmäher repariert, oder die Steuerformulare korrekt ausfüllt, oder das Wasser aus dem Keller pumpt oder ... “
„Oder wie man Kinder erzieht,“ unterbrach Tick den Onkel. „Werdet nicht ironisch! Glaubt ihr etwa, ich wüßte nicht, wie man euch erzieht?!“ fährt Onkel Donald auf und greift hinter sich, wo der Teppichklopfer lehnt.
„Nicht hauen, Onkelehen. Du bist der geborene Pädagoge!“ sagt Track. „Du siehst doch, wie gut wir geraten sind. Alles dein Verdienst! Ohne deine enormen Fähigkeiten wären wir wahrscheinlich wie die Bassottini geworden!“
Die Bassottini sind die Panzerknackerkinder. Sie sind böse und tragen schon mit'3 Jahren Verbrecher-Augenbinden. Onkel Donald hat sein Griffi * immer bei sich, in einem Lederhalfter wie ein Sheriff, damit er es schnell ziehen kann. Manchmal, sagt er, komme es beim Telefonieren auf Sekunden an! Er bekommt tatsächlich einen Anruf von Daisy, aber eben nicht oft genug, denn meistens plaudert sie, wie gesagt, mit dem schönen Gustav. Aber sogar der findet, daß er viel zu wenig angerufen wird, wo er doch das Trendy* hat, in Elfenbein und Rosa. Überall in Ducks City sitzen inzwischen Männer mit ihrem Akser* (akkuunterstützter Sprachübermittler) in der Tasche und warten darauf, daß es piept. Manche haben noch einen LapTop in der Hosentasche, ein Schweizer Offitierstaschenmesser mit Lupe und Wasserstandsanzeiger. Neidisch schielen sie zu den hinüber, die schon einen Anruf bekommen haben. Sie können es kaum ertragen, wie diese Kerle in einen Be-em-weh einsteigen, ohne ihr Protzphon* vom Ohr zu nehmen. Immer haben sie diesen aufreizenden Ausdruck unerhörter Unersetzlichkeit im Gesicht. Das macht Gustav so ärgerlich, daß er eine Marktlücke findet.
Folgendes Inserat hat Onkel Donald im „Duck's Globe“ entdeckt: „Wollen Sie Ihre Geschäftspartner oder Ihre Freundin einmal auf besondere Weise beeindrucken, treten Sie mit ,Call Services' in Kontakt. Nach Vereinbarung eines passenden Gesprächsthemas rufe ich Sie zu jeder Tageszeit an. Vertrauenssache. Zivile Preise. Nachtzuschlag. Call Services, Ducks City, Tel. 1234567". Dahinter steckt natürlich Gustav. Aber Donald weiß das nicht.
Gustav sitzt nun wie immer bei „Charly's", trinkt seinen „On the Rocks", flirtet mit den flotten Enten, und erledigt seine Anrufe gegen eine stattliche Gebühr. Tatsache ist: Er ist ausgebucht. Auch Donald möchte sich gerne einmal (oder zweimal) von Call Services anrufen lassen, damit ein bißchen mehr Wichtigkeit in sein Leben kommt.
Aber das ist teuer. Darum versucht er den steinreichen Onkel Dagobert in seinem Geldspeicher anzurufen. Vielleicht macht der ein paar Mäuse locker, einfach so, kann ja sein.
„Duck’s International, was kann ich für Sie tun?“ flötet eine Teledame. Und als Donald ihr sagt, er will Onkel Dagobert sprechen, sagt sie, ich verbinde Sie weiter, dann ertönt die Konzernmelodie und Donald befindet sich auf der Warteschleife. Dann meldet sich eine zweite Damenstimme: „Duck's International, was kann ich für Sie tun?“ Und als Donald sagt, er will Onkel Dagobert sprechen, sagt sie, ich verbinde Sie weiter, dann ertönt die Konzernmelodie und Donald sitzt wieder auf der Warteschleife. Schließlich hat er eine der vier Vorzimmerdamen am Apparat: „Tut mir außerordentlich leid, Herr Duck, Ihr Onkel ist im Augenblick unabkömmlich. Er nimmt gerade ein Talerbad. Wollen Sie es später noch einmal versuchen?"·
Donald rammt sein goldgesprengeltes Poteko* (portable Telekommunikationseinheit) ins Halfter und geht in den Schuppen, wo die Gartengeräte stehen. ln einem leeren Blumentopf ist Jim Beam. Dann ruft er Daisy an, bei der es ausnahmsweise einmal nicht besetzt ist, und fragt sie, ob er sie Sonntag vielleicht zu einer Tour ins Marlboro Country abholen dürfte. „Wenn die Sonne scheint,“ sagt er, „könnten wir offen fahren.“
Daisy will sich nicht festlegen. Sie hat ja sooo viele Verpflichtungen! Aber schließlich willigt sie ein, weil sie Donald eigentlich sehr nett findet. Was für eine männliche Stimme er hat! Und tatsächlich, es scheint die Sonne. Als sie im Oldtimer die Landstraße entlangzuckeln, legt Donald den Arm um Daisy's Schulter. Daisy seufzt, macht das Radio an, und sie hören schöne Country- Musik. Donald hat Herzklopfen. Heute muß es ihm gelingen, Daisy zu küssen - richtig zu küssen, wie im Kino, da piept es. Donald zieht stolz sein Anrufli* aus dem Halfter, da krächzt Onkel Dagoberts wohlbekannte Trillionärsstimme aus der Muschel: „Donald? Komm sofort zum Talerputzen! Es ist schon nach 11.00!“
„Daisy, ich muß …“ sagt Donald geknickt. „Kannst du Onkel Dagobert nicht absagen?“ fragt Daisy.
„Ich bin zu wichtig, Daisy! Er kommt ohne mich nicht zurecht."

* Synonyme für Handy: Originalvorschläge an die Gesellschaft für deutsche Sprache, Wiesbaden, FR, 6. 11. 1996