(Museum for Sepulchral Culture Kassel) Die Bestattung als Event

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Published in: Neue Züricher Zeitung


 
Eine Designausstellung in Kassel

Nicht nur die «documenta» findet in Kassel statt. Die Stadt kann auch mit bedeutenden Museen aufwarten, darunter – als einziges seiner Art – das Museum für Sepulkralkultur. Diese merkwürdige Institution, die sich mit der Trauerkultur aus aller Welt befasst, hat immer wieder mit spektakulären Ausstellungen Aufmerksamkeit erregt. Erinnert sei an die Schau mit Särgen aus Ghana (1999) und an Ausstellungen mit Titeln wie «Last minute» (2000) oder «Schluss mit lustig» (2004). So kommt dem Museum das Verdienst zu, den Tod als Teil des Lebens wieder ins Bewusstsein zu rücken. Derzeit präsentiert das Museum unter dem leicht frivolen Motto «Dernier Cri» Bestattungszubehör, welches von 72 europäischen Designern entworfen wurde. Dabei wird das Konzept, an die Allgegenwart des Todes zu erinnern, wie wir es von Memento-mori-Darstellungen her kennen, nach einem «dual use»- Prinzip sehr drastisch umgesetzt: Zu sehen sind Bücherregale, eine lederbezogene Bank, ein Schreibtisch und ein rustikaler Schrank, die sich alle im Nu in Särge verwandeln lassen. Wohl kaum einer wird allen Ernstes auf dem eigenen Sarg am Computer sitzen, es sei denn ein Freund der Grufti-Szene. Doppelt verwendbar sind auch viele der ausgestellten Urnen – einige als Blumentopf, andere als Sektkübel. «Dernier Cri» nimmt bewusst Bezug auf die Mode und entspricht damit dem Trend zur exzessiven Selbstinszenierung, die sogar aus der Bestattung einen Event machen kann. Direktor Reiner Sörries und Kurator Gerold Eppler sehen das Museum als Vermittlungsinstanz und wollen die «abgeriegelte, selbstgenügsame Pietätsbranche» ansprechen, um die Trauerkultur zeitgemässer zu machen. Deshalb finden sich neben albernen oder prätentiösen Gestaltungen (Urne als Rakete) auch Entwürfe mit einer klaren Symbolik: etwa ein Sarg in der Form eines Samenkorns, das an das Werden und Vergehen erinnert (von Gisbert Baarmann). Wie schwierig es ist, unser Ende fasslich zu machen, kann diese anregende Ausstellung zeigen.

Burkhard Brunn Bis 18. Juni 2006 im Museum für Sepulkralkultur, Kassel.