Is Scrooge Duck a glutton?

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Published in: newspaper LOBBY / lobster


 

Als Onkel Dagobert, die reichste Ente der Welt, abends vom Ausbeuten nachhause kam, fand er auf seinem bahnhofsgroßen Tresor in Druckbuchstaben die Worte: „Dagobert Duck = Kannibale". Mit dem Schimpfwort „Kapitalist“ hatte er sich abgefunden, aber „Kannibale"? Sind das nicht Menschenfresser? Wie kann eine Ente Menschenfresser sein! Doch fest stand: An seinen Tresor geschrieben, war das ein böses Schimpfwort. Als die Familie beim Abendbrot saß, wozu sich der Onkel gern einlädt, damit er nicht so einsam ist wie die anderen Milliardäre, brachte er die Frage aufs Tapet. „Sagt einmal, Kinderchen, Kannibalen sind das nicht Menschenfresser?“ Als Tick, Trick und Track zu einer Antwort ansetzen wollten, krähte Onkel Donald, ihr besserwisserischer Vormund: „Gibt's nicht. Sind Märchenfiguren wie die Hexe in Hänsel und Gretel!“ Die Kinder blickten streng auf das Hühnerbein, an dem ihr Onkel nagte, während sie als geschworene Veganer stets Salat, Obst und Müsli essen.
Dann sagte Tick vorwurfsvoll: „Es ist dir wohl nicht bewusst, lieber Onkel Donald, dass du gerade ein Geflügelbein verspeist?!“ „Huhn, na und?“ meinte Onkel Donald naiv. „Das Huhn gehört zu der Artengruppe Geflügel. Und, lieber Onkel, dazu ,gehören nun mal auch wir Enten.“ „Soso! Du willst mich also mit einem Huhn in denselben Topf werfen!“ rief der Onkel gekränkt. „Kommt zur Sache!“ schrie der Großonkel dazwischen. „Was hat Donalds Huhnesserei mit Kannibalismus zu tun?“ Man sieht, welche Schwierigkeiten die Kinder haben, ihre fleischfressenden Onkels aufzuklären. Das Problem liegt ihnen schon lange am Herzen, denn als Veganer verabscheuen sie jegliche Nutzung von Tierprodukten. Ihre Onkels wissen nicht, dass das Fähnlein Fieselschweif, ihre Pfadfindergruppe, inzwischen längst der „Befreiungsfront der Tiere“ beigetreten ist, die gerade mit der „Tierrechtsarmee“ ein Abkommen zur Eliminierung der Pelzindustrie getroffen hat. Neulich nachts haben sie Schmiere gestanden, als die erfahreneren Aktivisten eine Nerzfarm stürmten, die Käfige aufbrachen und ihre Brüder befreiten. Tierhaltung ist für sie wie Zuchthaus und KZ. Und erst Tierversuche! Darum beteiligen sie sich an Überfällen auf Wurstfabriken. Von den Zeitungen werden sie „Öko-Terroristen“ genannt, kein Wunder, denn die Zeitungen und das Fernsehen, aber auch die meisten Hühnerfarmen gehören ihrem reichen Großonkel Dagobert. Da sie dessen Frage nicht unbeantwortet lassen wollten, ging Track ins Kinderzimmer und schleppte das 5 Kilo schwere Pfadfinderhandbuch herbei, in dem alles drin steht, was eine amerikanische Ente wissen muss. Sie schlugen es unter dem Stichwort Kannibalismus auf und lasen ihren Onkels das folgende vor: „Kannibalismus, abgeleitet von dem menschenfressenden Stamm der Kariben, span. Canibals. Die das natürliche Gefühl empörende Sitte mancher wilder Völker (nicht immer der rohesten), das Fleisch ihrer Nebenmenschen zu verzehren.“ (Meyers Konversationslexikon, 1890). Über den südamerikanischen Stamm der Tupinambas berichtet der deutsche Landsknecht Hans Staden aus Hornberg in Hessen, der 1548 neun Monate in der Gewalt der Menschenfresser verbracht hat: „Der Häuptling ergreift die Keule und schlägt dem Gefangenen von hinten auf den Kopf, dass das Hirn herausquillt. Sogleich nehmen ihn die. Frauen, zerren ihn aui das Feuer und kratzen ihm die Haut ab. Sie machen ihn ganz weiß und verschließen ihm den Hintern mit einem Stück Holz, sodass nichts von ihm abgeht.“ „Mit einem Stück Holz?“ erkundigte sich Onkel Donald. Die Kinder nickten ernst. „Ist dann die Haut abgemacht, so nimmt ihn ein Mann und schneidet ihm die Beine über dem, Knie und die Arme am Leib ab, worauf die vier Frauen kommen, diese vier Teile nehmen und unter großem Freudengeschrei damit um die Hütte laufen. Darauflhin trennten sie den Rücken mit dem Hintern vom Vorderteil ab.“ „Den Hintern!“ rief Onkel Donald. „Dieses teilen sie unter sich auf. Die Eingeweide behalten die Frauen, die sie. kochen und aus der Brühe einen Brei, Mingau genannt, herstellen. Den trinken sie und die Kinder.“ „Ptui Deibel!“ Donald schüttelte sich. „Sie essen die Eingeweide und auch das Fleisch vom Kopf. Das Hirn die Zunge und was sonst noch daran genießbar ist, bekommen die Kinder … Dies alles habe ich mit eigenen Augen gesehen, ich habe es miterlebt.“ (Hans Staden, 1557) „Aufhören!“ rief Onkel Donald matt und verdrehte die Augen. Er hatte sein Hühnerbein auf den Teller fallen lassen. Doch Tick, der Aktivist, las unerbittlich weiter: „Amerigo Vespucci, nach dem der Neue Kontinent ,Amerika' genannt worden ist, schrieb im Jahre 1500 über die Leute von Caniba: ,Ich sah gesalzenens Menschenfleisch, das an Stangen zwischen den Hütten hing, geradeso wie man bei uns gewöhnlich Schinken und Schweinefleisch aufhängt'.“ (Amerigo Vespucci, Mundus Novus, ca. 1504) „Wie unmenschlich!“ meinte Track und schielte zu Onkel Dagobert hinüber, um die Wirkung dieses Extrakts zu prüfen. „Unmenschlich?“ fragte der große Onkel kalt.
„Was geht das mich an. Ich bin Finanzier und Ente.“ Daraufhin nahm Onkel Donald seine Hühnerkeule wieder in die Hand und nagte weiter. Er hatte sich wieder gefasst. „Aber versteht ihr denn nicht?!“ riefen die verzweifelten Veganer im Chor, „Kannibalismus bedeutet, dass einer den anderen frisst, seinesgleichen, der Mensch den Menschen, der Hund den Hund, die Ente die …“ „Mahlzeit!“ schrie da Onkel Donald. „Ich esse Huhn! Und ich esse es zuende! Ich lasse mir nicht das Abendbrot versauen!“ „Das alles erklärt mir nicht, warum sie gerade mich als Kannibalen beschimpfEm!“ sagte der Große Onkel unzufrieden. „Das ist doch ganz einfach, lieber Onkel", sagte Tick (der mit dem Riesen-IQ), „wenn man sich die Gründe für den Kannibalismus klarmacht. Hier steht: Hauptgrund für die abscheuliche Sitte ist der ,Glaube, dass sie nur so den Feind ganz vernichten und seine Kräfte erben können.' (Meyers Konversationslexikon, 1890).“ „Vernichten und erben?“ fragte der Große Onkel neugierig. Und er beschloss, Professor Pico, den Konzernphilosophen anzurufen, der für Corporate Identity zuständig ist;' und er erklärte ihm in knappen Worten das Problem. „Unter Kannibalismus", dozierte der Professor, „versteht man heute die feindliche Übernahme eines Konzerns durch den anderen. Eine Firma frisst die andere Firma, vernichtet sie so und verleibt sich ihre Potenzen ein. Ducks International hat z.B. in diesem Jahr …“ „Verstehe", sagte der Onkel knapp und legte auf. „Nun, Kinder“, meinte er dann aufgeräumt, „ich bin also, aber nur sozusagen, Kannibale.“ „Du hast schon so manchem das Fell über die Ohren gezogen!“ rief Donald eifrig. „Bloß ökonomisch!“ meinte der Große Onkel, „Bloß ökonomisch!“ „Eklig genug!“ riefen die altachtundsechziger Kinder. „Esse ich Huhn?“ konterte der Onkel und zeigte mit dem Finger auf Donald. Der ließ die Hühnerkeule zum zweiten Mal fallen.