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Published in: magazine ROGUE
Man kann nicht sagen, dass die Ducks sehr kunstinteressiert sind. Leo Castellis Ansicht, Bildersammeln gehöre sich für einen Trillionär, hatte der alte Duck schnell durchschaut. Er liess sich von Roy Lichtenstein nur eine Vedute seines Talerbergs malen. Was Onkel Donald betrifft, so hatte er einmal bei Woolworth eine Vorlage zum Ausmalen erstanden, zur Selbstverwirklichung. Auf den leeren Feldern waren die Farben angegeben, die man nehmen sollte. Donald hatte das Gemälde aber nie ganz fertig bekommen, weil es doch einen Haufen Arbeit machte. Tick, Trick und Track, die drei kleinen Erbneffen, dagegen waren von Kunst echt begeistert, seitdem sie in ihrem enzyklopädischen Pfadfinderlehrbuch gelesen hatten, dass das Pinkelbecken, das Marcel Duchamp Superstar aus dem Pissoir mitgenommen hatte, im Museum auf einmal Kunst geworden war. Dasselbe Pinkelbecken, wie durch Zauberei. Und Zaubertricks fanden sie einfach toll. Es war die Zeit, als Tausende vor dem New Yorker Whitney-Museum Schlange standen, um die Ausstellung von Duane Hanson zu sehen, der Menschen so täuschend echt nachbilden kann, dass jeder denkt, sowas gibt's doch gar nicht. Onkel Dagobert hatte sich seinerzeit dazu hinreissen lassen, das Museum mit 9 Talern und 99 Kreuzern zu unterstützen und nun war er Sponsor. Damit seine Freikarten nicht verfielen, lud er die Kinder nichtsahnend ins Museum ein, die natürlich auf Hansons Zauberstückehen sehr gespannt waren. Auch Donald kam mit, obwohl ihn sowas noch weniger interessierte als alles andere. Da standen sie nun herum und blickten ohne Hoffnung ins Leere, Duane Hansons berühmte Skulpturen, alles erbarmungswürdige Gestallten: abgearbeitete Hausfrauen, müde Arbeiter im Blaumann, ausgelaugte alte Männer. Uns sie waren weder aus Marmor noch aus Bronze noch ganz weiss wie bei Segal. So merkte man nicht gleich, dass sie Kunst waren und konnte sich nicht darauf einrichten. Und sie standen auch nicht auf einem Sockel, damit man Bescheid wusste, dass es sich um etwas Höheres handelte. Nein, sie standen schrecklich naturgetreu mitten im Publikum herum. Nachdem sie eine Zeitlang das Museum durchwatschelt hatten, wurden die Ducks immer trauriger. Auch Onkel Dagobert war beeindruckt und sprach von den „armen, armen Menschen, die der Künstler wunderbar gestaltet“ habe. „Ob ihr es glaubt oder nicht, Kinder, die Kunst hat eurem alten Onkel die Augen geöffnet. Diese vielen armen Leute, die vom Schicksal gebeutelt werden, verdienen unser Mitleid. Man muss etwas tun.“ Wie tief er zu fühlen vermochte, merkte der alte Tycoon an seinen feuchten Augen, und er war von seinem Mitleid ganz hingerissen. Aber da wurde das schöne Gefühl jäh gestört. „Seht mal, dahinten sind auch Panzerknacker!“ riefen die drei Neffen. Der Onkel fuhr entsetzt herum: „Wo, Kinder, wo?“ Herje, da standen sie, 8 Stück. Sie steckten ihre kahlrasierten Schädel mit den viel zu kleinen Prolo-Mützen zusammen und waren offensichtlich dabei, eine Schandtat auszuhecken. Wieder die 176er Brigade, dachte der Onkel, die waren besonders brutal. Angewidert blickte er auf ihre wulstigen Nacken, in die das Band der schwarzen Augenbinde einschnitt, durch welche die Schwachköpfe sich seit Jahren unkenntlich zu machen suchten. Aber, beim Ersten Kreuzer, was wollten die im Museum? Da stimmt was nicht! Der alte Duck wandte sich an den nächsten Wärter. „Da drüben sind Panzerknacker,“ zischte er, „Schwerverbrecher!“ Doch der Wärter verzog keine Miene, starrte aus seinen trüben Augen durch eine dicke Brille in die vorbeiflutende Menge und hielt sich die eine Hand mit der anderen fest. „Panzerknackäääärrr!“ krächzte der Onkel im Glauben, der Wärter sei schwerhörig. „Tun Sie was!“ Aber der Wärter tat keinen Mucks. Da erbarmten sich die drei kleinen Erpel ihres naiven alten Onkels und sagten: „Der ist doch auch ausgestopft, Onkelehen!“ Onkel Dagobert war ganz perplex, weil der Wärter in seiner „natürlichen“ Umgebung so lebendig aussah. Haargenau wie ein echter Wärter. Aber, dachte er, aber wenn, dachte er, wenn dieser Wärter „Kunst“ war, dann waren ja auch … die Panzerknacker „Kunst“. Dieser Gedanke wirkte beruhigend auf den Onkel, denn dann … dann waren sie ganz ungefährlich. Dennoch näherte er sich der Gruppe nur vorsichtig, denn die Kerle sahen ausgestopft so furchtbar echt aus. Um sich zu vergewissern, berührte Onkel Dagobert einen großen Panzerknacker vorsichtig unten am Bein. Oweih! „Der ist ja noch ganz warm!“ schrie der Onkel auf. Da drehte sich der Panzerknacker um und sagte ernst: „Wir sind Kunst, du Blödmann!“
Der Zufall wollte es, dass der Künstler selber anwesend war und dort drüben, in der dichten Menge, ein Fernsehinterview gab.
„Meine Arbeit handelt von Menschen, die in stiller Verzweiflung leben,“ sagte er gerade zu dem Reporter. „Ich zeige die Ratlosigkeit, die Müdigkeit, das Altern, die Frustration. Diese Menschen können mit dem heutigen Wettbewerb nicht mehr mithalten.“
Doch da wurde er von einer schrillen Stimme unterbrochen: „Dahinten stehen die Panzerknacker, die sind überhaupt nicht verzweifelt, sondern Verbrecher und Systemveränderer. Die wollen gar keinen Wettbewerb!“ Alle sahen sich nach Onkel Dagobert um, der sich den Zylinder festgedrückt und sein Stöckchen ins Parkett gebohrt hatte. „Die Ente mit Hut,“ bemerkte Yuppie J. Booster Bobo zu seiner Tussi, „hat letzte Woche die Walt Disney Corporation aufgekauft.“ Hanson ist ein Künstler, dem daran liegt, die Menschen zu überzeugen. Darum rief er über die Köpfe seiner Zuhörer dem Onkel zu: „Versetzen Sie sich doch einmal in das Leben eines Menschen, der täglich Geschirr spült, den ganzen Tag lang- der keine Wünsche hat, ausser einen Farbfernseher zu besitzen. Wie würden Sie sich dabei fühlen?“ „Prima würde ich mich fühlen!“ rief Onkel Dagobert mit wilder Stimme. „Als Tellerwäscher habe ich angefangen, junger Mann, aber ich hatte keine albernen Wünsche, sondern einen eisernen Willen! Ich wollte keinen Farbfernseher, sondern Taler, die ich in eine Fabrik für Farbfernseher investieren konnte. Wenn diese Faulenzer Farbfernseher haben wollen, muss sie ja jemand für sie produzieren. Alles, was die Taugenichtse überhaupt besitzen, lasse ich in meinen Fabriken herstellen. Wenn ich nicht wäre, wer weiss, was aus solchen Jammerlappen würde, die Sie hier zur Kunst erheben!“
Während dieser Suada war Hanson auf Onkel Donald aufmerksam geworden, der teilnahmslos herumstand. Er musterte den Erzversager eine Weile mit wachem Künstlerauge. Dann schritt er auf Donald zu und begann ihn zu beflüstern. „Ich?“ fuhr Onkel Donald den Künstler voller Empörung an. „Nehmen Sie mich, Herr Hanson! „ mischte sich, stets al posto, Onkel Dagobert ein und schob Donald beiseite. „Denn ich bin es, der ihr Mitleid wirklich verdient! 257 Trillionen Taler und 48 Kreuzer habe ich zu verlieren! Diese diebischen Hunde verfolgen mich Tag und Nacht, seufz & schluchz!“ Aber da kannte er Meister Hanson schlecht. „Ich fühle mich den einfachen Arbeitern nahe,“ erwiderte der Künstler felsenfest und legte einem Panzerknacker den Arm um die Schulter. Und der streckte dem alten Duck die tiefrote Zunge heraus.