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How Hermann Joseph Abs met Uncle Dagobert at Castelli

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Die Welt ist klein. Für die Grossen der Welt. In Leo Castellis Galerie trafen sich tutti frutti. Die New Yorker blieben bei der Meldung des „Wallstreet Journal“, die Walt Disney Company werde von einer Ente „übernommen“ werden, absolut cool. Na und? Durch eine „agressive Finanztransaktion“. Ist doch okay. Leute, die bei Castelli verkehren, sind keine Rassisten. Joseph Abs aber, dem reichs- und bundesdeutschen Mega-Bankier, wollte die Nachricht nicht in den Kopf, doch nahm er sich zusammen und brachte gegen seine Überzeugung und sein rheinländisches Naturell eine preussische Verbeugung zustande, als ihn Castelli einer Ente im Zylinder vorstellte. Der besagten Ente.
„Mr. Abs,“ sagte Castelli.
„Hi, Mr. Äbs,“ krächzte Onkel Dagobert, so freundlich es ging.
„Guten Abend, Mr. McDöck. Ich habe schon viel von Ihnen …“
„Deutsch?“ fragte Onkel Dagobert.
„Jawoll,“ antwortete Abs.
Dann stockte die Unterhaltung, denn Abs versuchte es bei Onkel Dagobert mit small talk. Doch die Grossen dieser Welt finden einander letztendlich faszinierend. Da sie alle in irgendeiner Form Superlativ sind, geniessensie das Gefühl exklusiver Gemeinsamkeit. Tatsächlich verkehren bei Castelli die tollsten Köpfe. (Linich, Jaqueline, Geldzahler, Malanga, J.F.K., Capote, Jane, Danto, Claes, Roy, J. Booster Bobo, Sennett, M.M., Andy und sein Tonband usw., usw.) Und sie lachen dauernd. „Sie sammeln auch?“ fragte Abs. „Yes,“ antwortete Onkel Dagobert, „Ich habe einen Lichtenstein gesammelt. Er hat mir meine Taler gemalt, aber leider nur eine …“ „Eine verschwindend kleine Menge Taler,“ meinte Abs, der wusste, wie Duck sich empört hatte, dass Milliarden Taler fehlten. „Verschwindend?“ fuhr Mr. McDuck aus dem Sessel. So schleppte sich das Gespräch von einem Missverständnis zum nächsten. Aber als die Herren sich gleichzeitig nach einem Nickel bückten, der aus Mr. Geldzahlers Hose gefallen war, kamen sie einander näher. „Wie ist das so, wenn Sie in Ihrem Tresor baden, Chairman Döck?“ fragte Abs in altdeutscher Betonung des Englischen.
„Wonderful!“ antwortete McDuck, „ein wahrer Jungbrunnen!„ (Abs fand Onkel Dagoberts Geldbäder „als Katholik“ befremdlich.)
„Wie fühlen Sie sich denn, Chairman Äbs, wenn Sie durch Ihr Kölner Museum gehen?“ konterte Onkel Dagobert. „Wie im Jungbrunnen,“ antwortete Abs mit Brio, „Wunderbar!“ „Look, Mr. Äbs,“ meinte MxcDuck, „J.F.K. badet in der Menge, ich bade in Talern und Sie baden in Kunst! Wir alle fühlen uns dabei ziemlich okay, finden Sie nicht?“ Abs war verblüfft. In solch ordinärer Sinnlichkeit hatte er die Sache nie gesehen. Sogar das Wort „Augenschmaus“ hatte er sich seinerzeit asketisch verbeten, als ein Vorstandskollege an lässlich des Erwerbs von Manets Spargelbild bemerkt hatte, das Gemälde sei „zum Fressen schön“. Nun: wenn Mr. Döck Talerbäder nahm, musste er, Abs, nicht auch ehrlicher mit sich sein? Joseph Abs musste sich eingestehen, dass ihm angesichts dieses Gemäldes immer wieder das Wasser im Munde zusammenlief. Kunstwissenschaftlich betrachtet war dieser Standpunkt reichlich, na ja, primitiv eben. Fest stand aber, dass diese amerikanische Ente noch primitiver war. Sie liess sich beim Baden sogar Geld „auf die Glatze prasseln“, hatte Abs von Insidern erfahren. „Herr Döck,“ eröffnete der Bankier launig die nächste Runde, „Ist es nicht so, dass Sie den Kapitalkreisläufen das Geld entziehen? Wie soll man es investieren, wenn Sie darin baden? Ist das vom Unternehmerischen Standpunkt gesehen nicht …?“
„Na und, Äbs. Auch Kunst ist Geld. Was ist Ihr Museum denn anderes als mein Tresor? Auch Sie entziehen den Kapitalkreisläufen das Geld und horten es, um …“ „Zugegeben, Herr Döck. Auch das Museum ist ein Ort der Schatzbildnerei. Aber wir springen doch nicht zwischen den Gemälden in der Badehose herum!“
Da kam zum Glück Castelli vorbei. „Wie finden Sie Marilyn, meine Herren?“ rief er fröhlich und zeigte auf sie.
Abs war aus dem Alter heraus und Onkel Dagobert ist eine Ente. Als der feinfühlige Galerist das Fettnäpfchen bemerkte, wollte er den Deutschen vor McDuck wenigstens etwas herausstreichen.
„1994 sass er in über 50 Aufsichtsräten!“ verkündete Castelli. Abs errötete, als wollte er sich schämen.
„Und jetzt?“ fragte Duck. „In 19 Aufsichtsräten,“ sagte Abs.
„Das sind über 30 weniger,“ stellte Mr. McDuck nüchtern fest.
Und „weniger“ war bei Onkel Dagobert in jedem Fall ein Werturteil. Castelli merkte, dass er wieder ins Fettnäpfchen getreten war. „Shit,“ dachte er und bog unverbindlich zur Kunst ab. Geschickt kam er auf das Spargelbild zu sprechen, das ja auf Absens Initiative hin angekauft worden war: „Sie wissen, meine Herren, dass Manet ausser dem Spargelbündel noch einen einzelnen Spargel gemalt hat?“ Abs nickte, denn er kannte das Bild natürlich. Es hing damals im Pariser Musee de l’Impressionisme.
„Charles Ephrussi,“ erklärte Castelli, „hatte Manet für das grosse Spargelbild vor Begeisterung 1000 anstatt der vereinbarten 800 Mäuse gezahlt. Doch Manet, der selber eine Menge Mäuse hatte, liess sich nicht lumpen, malte seinem Käufer noch einen Extra-Spargel und schenkte ihn Ephrussi (1880) mit den Worten: Es fehlte noch einer in Ihrem Bündel. Da waren sie quitt.“
„Und wieviel Spargel waren in dem Bündel?“ fragte der Onkel. Abs zögerte. So quantitativ hatte er das Gemälde nie gesehen. Aber sein Gedächtnis sagte ihm, dass es 26 Spargel sein mussten. „Warum hat dieser Manet dann nicht 5.200.- Mäuse verlangt?“ meinte der Onkel missbilligend. Abs warf Castelli einen alteuropäischen Blick zu.
Als die beiden grossen Finanzmänner Anstalten trafen, sich voneinander zu verabschieden, weil sie erst mal genug voneinander hatten, ging auf einmal bei Castelli das Licht aus. Im Geschrei der Damen hörte man J. Booster Bobos melodische Stimme, hiermit sei die Sexparty eröffnet. Aber Bobo war ein Showtyp und seine Ankündigung falsch. Tatsächlich handelte es sich um einen Überfall der Headhunter: Sie tauchten immer dort auf, wo sie die führenden Köpfe vermuteten. Insofern war jeder Besuch diskriminierend. Und dezimierend. Als das Licht wieder anging, musterten die verbliebenen Gäste einander. Wer war diesmal erste Sahne gewesen? Auf dem Boden lag ein konservativer Seidenschlips. Claes Oldenburg prägte ihn sich für später ein (Kunst). „Also, mein lieber Äbs ... ,“ begann Onkel Dagobert. Aber Herr Abs war verschwunden und wurde erst im Aufsichtsrat der Philipp Holzmann AG wieder gesichtet. Später kam heraus, dass die Headhunter den Finanzmann über die Feuerleiter des Hauses Nr. 422 verschleppt hatten. Sie stiessen ihn in ein superlanges Town-Car mit verdunkelten Fenstern und ab über den East River.

How Duane Hanson almost moved Uncle Scrooge to tears

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Man kann nicht sagen, dass die Ducks sehr kunstinteressiert sind. Leo Castellis Ansicht, Bildersammeln gehöre sich für einen Trillionär, hatte der alte Duck schnell durchschaut. Er liess sich von Roy Lichtenstein nur eine Vedute seines Talerbergs malen. Was Onkel Donald betrifft, so hatte er einmal bei Woolworth eine Vorlage zum Ausmalen erstanden, zur Selbstverwirklichung. Auf den leeren Feldern waren die Farben angegeben, die man nehmen sollte. Donald hatte das Gemälde aber nie ganz fertig bekommen, weil es doch einen Haufen Arbeit machte. Tick, Trick und Track, die drei kleinen Erbneffen, dagegen waren von Kunst echt begeistert, seitdem sie in ihrem enzyklopädischen Pfadfinderlehrbuch gelesen hatten, dass das Pinkelbecken, das Marcel Duchamp Superstar aus dem Pissoir mitgenommen hatte, im Museum auf einmal Kunst geworden war. Dasselbe Pinkelbecken, wie durch Zauberei. Und Zaubertricks fanden sie einfach toll. Es war die Zeit, als Tausende vor dem New Yorker Whitney-Museum Schlange standen, um die Ausstellung von Duane Hanson zu sehen, der Menschen so täuschend echt nachbilden kann, dass jeder denkt, sowas gibt's doch gar nicht. Onkel Dagobert hatte sich seinerzeit dazu hinreissen lassen, das Museum mit 9 Talern und 99 Kreuzern zu unterstützen und nun war er Sponsor. Damit seine Freikarten nicht verfielen, lud er die Kinder nichtsahnend ins Museum ein, die natürlich auf Hansons Zauberstückehen sehr gespannt waren. Auch Donald kam mit, obwohl ihn sowas noch weniger interessierte als alles andere. Da standen sie nun herum und blickten ohne Hoffnung ins Leere, Duane Hansons berühmte Skulpturen, alles erbarmungswürdige Gestallten: abgearbeitete Hausfrauen, müde Arbeiter im Blaumann, ausgelaugte alte Männer. Uns sie waren weder aus Marmor noch aus Bronze noch ganz weiss wie bei Segal. So merkte man nicht gleich, dass sie Kunst waren und konnte sich nicht darauf einrichten. Und sie standen auch nicht auf einem Sockel, damit man Bescheid wusste, dass es sich um etwas Höheres handelte. Nein, sie standen schrecklich naturgetreu mitten im Publikum herum. Nachdem sie eine Zeitlang das Museum durchwatschelt hatten, wurden die Ducks immer trauriger. Auch Onkel Dagobert war beeindruckt und sprach von den „armen, armen Menschen, die der Künstler wunderbar gestaltet“ habe. „Ob ihr es glaubt oder nicht, Kinder, die Kunst hat eurem alten Onkel die Augen geöffnet. Diese vielen armen Leute, die vom Schicksal gebeutelt werden, verdienen unser Mitleid. Man muss etwas tun.“ Wie tief er zu fühlen vermochte, merkte der alte Tycoon an seinen feuchten Augen, und er war von seinem Mitleid ganz hingerissen. Aber da wurde das schöne Gefühl jäh gestört. „Seht mal, dahinten sind auch Panzerknacker!“ riefen die drei Neffen. Der Onkel fuhr entsetzt herum: „Wo, Kinder, wo?“ Herje, da standen sie, 8 Stück. Sie steckten ihre kahlrasierten Schädel mit den viel zu kleinen Prolo-Mützen zusammen und waren offensichtlich dabei, eine Schandtat auszuhecken. Wieder die 176er Brigade, dachte der Onkel, die waren besonders brutal. Angewidert blickte er auf ihre wulstigen Nacken, in die das Band der schwarzen Augenbinde einschnitt, durch welche die Schwachköpfe sich seit Jahren unkenntlich zu machen suchten. Aber, beim Ersten Kreuzer, was wollten die im Museum? Da stimmt was nicht! Der alte Duck wandte sich an den nächsten Wärter. „Da drüben sind Panzerknacker,“ zischte er, „Schwerverbrecher!“ Doch der Wärter verzog keine Miene, starrte aus seinen trüben Augen durch eine dicke Brille in die vorbeiflutende Menge und hielt sich die eine Hand mit der anderen fest. „Panzerknackäääärrr!“ krächzte der Onkel im Glauben, der Wärter sei schwerhörig. „Tun Sie was!“ Aber der Wärter tat keinen Mucks. Da erbarmten sich die drei kleinen Erpel ihres naiven alten Onkels und sagten: „Der ist doch auch ausgestopft, Onkelehen!“ Onkel Dagobert war ganz perplex, weil der Wärter in seiner „natürlichen“ Umgebung so lebendig aussah. Haargenau wie ein echter Wärter. Aber, dachte er, aber wenn, dachte er, wenn dieser Wärter „Kunst“ war, dann waren ja auch … die Panzerknacker „Kunst“. Dieser Gedanke wirkte beruhigend auf den Onkel, denn dann … dann waren sie ganz ungefährlich. Dennoch näherte er sich der Gruppe nur vorsichtig, denn die Kerle sahen ausgestopft so furchtbar echt aus. Um sich zu vergewissern, berührte Onkel Dagobert einen großen Panzerknacker vorsichtig unten am Bein. Oweih! „Der ist ja noch ganz warm!“ schrie der Onkel auf. Da drehte sich der Panzerknacker um und sagte ernst: „Wir sind Kunst, du Blödmann!“
Der Zufall wollte es, dass der Künstler selber anwesend war und dort drüben, in der dichten Menge, ein Fernsehinterview gab.

„Meine Arbeit handelt von Menschen, die in stiller Verzweiflung leben,“ sagte er gerade zu dem Reporter. „Ich zeige die Ratlosigkeit, die Müdigkeit, das Altern, die Frustration. Diese Menschen können mit dem heutigen Wettbewerb nicht mehr mithalten.“

Doch da wurde er von einer schrillen Stimme unterbrochen: „Dahinten stehen die Panzerknacker, die sind überhaupt nicht verzweifelt, sondern Verbrecher und Systemveränderer. Die wollen gar keinen Wettbewerb!“ Alle sahen sich nach Onkel Dagobert um, der sich den Zylinder festgedrückt und sein Stöckchen ins Parkett gebohrt hatte. „Die Ente mit Hut,“ bemerkte Yuppie J. Booster Bobo zu seiner Tussi, „hat letzte Woche die Walt Disney Corporation aufgekauft.“ Hanson ist ein Künstler, dem daran liegt, die Menschen zu überzeugen. Darum rief er über die Köpfe seiner Zuhörer dem Onkel zu: „Versetzen Sie sich doch einmal in das Leben eines Menschen, der täglich Geschirr spült, den ganzen Tag lang- der keine Wünsche hat, ausser einen Farbfernseher zu besitzen. Wie würden Sie sich dabei fühlen?“ „Prima würde ich mich fühlen!“ rief Onkel Dagobert mit wilder Stimme. „Als Tellerwäscher habe ich angefangen, junger Mann, aber ich hatte keine albernen Wünsche, sondern einen eisernen Willen! Ich wollte keinen Farbfernseher, sondern Taler, die ich in eine Fabrik für Farbfernseher investieren konnte. Wenn diese Faulenzer Farbfernseher haben wollen, muss sie ja jemand für sie produzieren. Alles, was die Taugenichtse überhaupt besitzen, lasse ich in meinen Fabriken herstellen. Wenn ich nicht wäre, wer weiss, was aus solchen Jammerlappen würde, die Sie hier zur Kunst erheben!“
Während dieser Suada war Hanson auf Onkel Donald aufmerksam geworden, der teilnahmslos herumstand. Er musterte den Erzversager eine Weile mit wachem Künstlerauge. Dann schritt er auf Donald zu und begann ihn zu beflüstern. „Ich?“ fuhr Onkel Donald den Künstler voller Empörung an. „Nehmen Sie mich, Herr Hanson! „ mischte sich, stets al posto, Onkel Dagobert ein und schob Donald beiseite. „Denn ich bin es, der ihr Mitleid wirklich verdient! 257 Trillionen Taler und 48 Kreuzer habe ich zu verlieren! Diese diebischen Hunde verfolgen mich Tag und Nacht, seufz & schluchz!“ Aber da kannte er Meister Hanson schlecht. „Ich fühle mich den einfachen Arbeitern nahe,“ erwiderte der Künstler felsenfest und legte einem Panzerknacker den Arm um die Schulter. Und der streckte dem alten Duck die tiefrote Zunge heraus.

(kursive Zitate: H. Bush / T.Buchsteiner: Duane Hanson)

When Uncle Scrooge had Andy Warhol paint him a status symbol

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Zu Donald und den drei kleinen Neffen sagte Onkel Dagobert eines Abends bekümmert: „Ich werde nicht in den VERY VIP's-Club eingeladen, weil ich kein StatusSymbol besitze, seufz. Was ist das überhaupt?“
„Du mußt etwas Einzigartiges besitzen, was niemand sonst hat,“ erklärten ihm die drei kleinen Neffen wie aus einem Schnabel. „Warum?“ fragte der Onkel naiv. „Weil du durch das Symbol selbst etwas Einzigartiges wirst.“ „Ich bin doch die reichste Ente der Welt.“
„Du bist nur soundsoviel mal reicher als irgendjemand sonst,“ meine Tick respektlos. „Du befindest dich lediglich auf der obersten Position einer Ratioskala. Deine Position ist quantifizierbar, folglich nicht unvergleichlich und daher nicht einzigartig,“ dozierte Trick. „Sie können dich einholen,“ sagte Track kühl, „geldmäßig.“ „Einholen?“ der Onkel erbleichte. „Was kann ich tun, Kinder?“ „Du mußt dir ein berühmtes Gemälde zulegen!“ erklärten die drei weltklugen Neffen, „sowas wie die Mona Lisa.“ So kam es, daß Onkel Dagobert bei Leo Castelli anrief, den er auf irgendeinem Ledersofa kennengelernt hatte. Der New Yorker Galerist sagte, da Vincis seien ausverkauft, aber er könne ihm Andy Warhol empfehlen, der auch sehr gut sei. Also machte sich Onkel Dagobert zu Warhols „factory“ auf. Er hatte beschlossen, sich sein Portrait malen zu lassen. Denn er wollte nicht ein geniales Bild von irgendwas besitzen. Würde er nämlich selbst darauf zu sehen sein, hatte er sich ausgedacht, dann wäre das Gemälde als Statussymbol für alle Zeiten untrennbar mit seiner eigenen Person verbunden. Durch die Unvergleichlichkeit des Gemäldes würde Dagobert Duck als sein Besitzer nicht nur zu Lebzeiten die höchststehende Ente werden, sondern darüber hinaus würde er als gemalter Besitzer in die Ewigkeit eingehen. Wer immer das Gemälde einmal erbte und durch dessen bloßen Besitz zu Status käme: Mr. Mc Duck's Status klebte an dem Gemälde fest. „Ich möchte mir von Ihnen, Meister, ein Statussymbol malen lassen,“ krächzte Duck, als er hereinwatschelte „mein Portrait!“ Warhol grinste auf die gewisse New Yorker Art und ersetzte „Statussymbol“ höflich durch den vornehmeren Ausdruck „Aura". „Aura? Was ist das?“ fragte der Onkel, denn er hatte, um die vielen Dollars zu machen, in der Schule häufig fehlen müssen.

„Eine Aura“ erklärte der Künstler, „ist etwas, das nur andere sehen können … Alles spielt sich ausschließlich in den Augen der anderen ab …“ Als Duck nicht kapierte, sagte er: „Neulich war ich mit meiner ganzen Belegschaft zum Abendessen. Die Leute vom Büro nehmen mich nicht sonderlich ernst, weil sie mich kennen und mich jeden Tag sehen. Aber dann war da noch so ein netter Freund, den einer mitgebracht hatte. Dieser Junge hatte mich noch nie gesehen und konnte es kaum fassen, daß er mit mir zum Abendessen aus war! Die anderen sahen alle mich, er aber sah meine Aura.“

„Aaah,“ sagte Dagobert, „verstehe. Okay, ich nehme die Aura". Andy Warhol musterte die Ente aus seinen entzündeten Augen. „Ich kenne niemanden, von dem ich nicht sagen könnte, sie oder er sei schön … Ich habe noch nie ein häßliches Tier gesehen.“ Da seufzte der Onkel erleichtert. Castelli hatte ihm einmal das Bild von Liz Taylor gezeigt, und verglichen mit Liz Tayler, das mußte er zugeben. Er fragte den Maler, wann er zum „Sitzen“ kommen solle. Warhol sagte, er würde ihn nach einem Comic malen. Als Mr. McDuck den Maler nach einer Woche wieder besuchte, fiel ihm sofort sein Konterfei ins Auge. Aber nicht nur einmal, sondern 30 mal. Außerdem waren alle Portraits quadratisch. „Ich habe nur eins bestellt, ein rechteckiges!“ rief der Onkel. „Ich denke immer,“ erklärte Andy höflich, „daß die Quantität in jedem Fall der beste Maßstab ist … Alles Meisterwerke, weil es immer das gleiche Bild (ist). Ich male gerne auf einem quadratischen Format … Ich glaube nämlich, daß jedes Bild dieselbe Größe und dieselbe Farbe haben sollte, damit sie alle austauschbar sind …“ „Austauschbar?“ rief Duck entsetzt. „… und keiner mehr denkt, er hätte ein besseres oder ein schlechteres Bild …“ „Dieser Castelli hat mich reingelegt", dachte Onkel Dagobert und starrte auf seine grünen Knöpf-Gamaschen. „Und wenn das eine Meisterwerk gut ist, dann sind alle gut,“ sagte Andy zufrieden und rückte seine weiße Perücke zurecht. Onkel Dagobert erklärte mit dem Stöckchen fuchtelnd, er habe ein exklusives Original bestellt, nicht was zum Verwechseln.
„Je gleicher etwas ist, desto amerikanischer ist es auch,“ korrigierte Warhol ihn nachsichtig und schlug Mr. McDuck allen Ernstes vor, doch alle 30 Bilder zu kaufen, wenn er nicht wolle, daß auch andere in den Besitz seines Portraits kämen. Und dann erklärte Andy dem Onkel, sein Wunsch, etwas Einzigartiges zu haben und zu sein, sei ganz unamerikanisch, um nicht zu sagen europäisch. Einzigartigkeit sei undemokratisch. Denn es bedeute anders sein zu wollen als die anderen. In Amerika sei man entweder gleich oder mehr. Wenn man mehr sei, lasse man den übrigen das Gefühl, sie könnten einen einholen. Das sei dann bloß eine quantitative Frage.
„Ich bin ein 255-Trillionen-Taler-und-12-CentsMann,“ rief Duck und reckte unternehmerisch den Bürzel. Er fühlte sich auf einmal gut amerikanisch, denn er dachte daran, wie er sich vom Tellerwäscher zur reichsten Ente der Welt usw. Aber was nützte ihm das, wenn er kein Statussymbol besaß? Und Kunst war ein Statussymbol! Doch nun schuf der Künstler der statustollen Ente einen bahnbrechenden Ausweg. Als er ein Coca eingenommen hatte, entließ er aus dem Gehege seiner Zähne ein epochales Wortgeflügel: „Ein gutes Business ist die faszinierendste Kunst überhaupt.“ (Wow!) „Wie, liebster Meister?“ unterbrach ihn Mr. McDuck ganz aus dem Häuschen, „Dann wäre ich ja selber …“ Warhol nickte und schob sich einen Honigbonbon in den Mund. „… und da ich der weltbeste Businessmann bin, bin ich auch …“ schrie die Ente außer sich vor Statusbegeisterung. Blitzschnell hatte der versierte Kapitalist die wichtigsten Folgerungen gezogen: 1) er selber war der größte lebende Künstler 2) er hatte den größtmöglichen Status, 3) er würde einen Haufen Geld sparen, denn er brauchte weder 30 noch auch nur ein einziges Portrait zu kaufen und 4) würde er den Kindern ihre verdammten europäischen Flausen aus dem Kopf jagen. „Tausend-, nein, hundert Dank, Meister!“ rief Uncle Scrooge und schoß ins Geschäftsleben zurück. Daß Mr. McDuck die Sache derart genau nehmen würde, hatte Andy nicht gedacht. Doch genau sind sie, die großen Künstler.

(Originalzitate von Warhol in: Andy Warhol, Die Philosophie des Andy Warhol von A bis B und zurück, München 1991)

How Christo convinced Uncle Scrooge

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„So, Sie haben eine Brücke eingepackt, sehr merkwürdig. Und wieviel hat man Ihnen dafür bezahlt?“ „Verhüllt, Mr. McDuck.“ „Wörter", winkte Uncle Scrooge ab, blickte auf die Uhr und fragte den unsympathischen Bittsteller, was er nun eigentlich von ihm wolle. Christo sagte es ihm. „Waaaa … aa … aaas?“ kreischte die reichste Ente der Welt und sprang in der bekannten Art vom Polstersessel auf den dreimeterbreiten Schreibtisch. Doch Christo ist nicht schreckhaft. Er hat schon mit vielen hochgestellten Persönlichkeiten verhandelt. „Der monolithische Charakter …, seine Einsamkeit …“, begann er, riß sich dann aber zusammen und fuhr fort: „Das Material ist silbergrau, sehr dick, hat seidigen Charakter und wird oft in Filteranlagen verwendet. Der Stoff wird nach einem speziellen Plan gefaltet, auf dem Dach hergerichtet und Kaskaden gleich an den Seiten herunterfallen.“
Er machte eine Kunstpause, um zu sehen, wie es wirkte: Der Onkel war in seinen Sessel zurückgesunken. Dicke, kommaförmige Schweißperlen spritzten ihm vom Schädel, seine Pupillen waren geweitet, seine Augen standen eng über dem Schnabel, aus welchem schlaff die kleine Zunge hing. „Es kommen nur Berufskletterer in Frage. Niemand darf aufs Dach, der nicht Profi ist'', fuhr der Künstler ungerührt fort. „Berufskletterer auf dem Dach!“ rief der Onkel entsetzt und fuchtelte wild mit dem Stock, als seine Neffen Tick, Trick und Track hereinstürzten, um das monatliche Taschengeld abzuholen. Sie würden es, wie immer, ihrem Onkel Donald geben, der seit dem 13. März 1934 ohne Arbeit war. „Rund zweihundert Bergsteiger werden wir brauchen … Dabei wird kein einziger Nagel in das Gebäude geschlagen, keine Schraube verwendet“, erläuterte Christo das Projekt. „Bergsteiger auf dem Dach!“ heulte der Onkel auf, „Verhüllte Profis! Räuber! Gewerkschafter! Panzerknacker!“ „Aber Onkelehen, du tust ihm Unrecht! Das ist SuperChristo!“ riefen die drei kleinen, klugen Neffen unisono. Denn sie hatten den Künstler an seinem furchtbaren Akzent und seiner schäbigen Safari-Jacke erkannt. „Er schafft überall Arbeitsplätze, er wohnt im Armenviertel von Ducks' City und ist ganz selbstlos!“ „Selbstlos?“ krächzte der Alte mißtrauisch. „Der eigentliche Vorgang der Verhüllung wird nicht länger als zwei bis vier Tage in Anspruch nehmen", erklärte Christo weiter. Den Geldspeicher mit den gesparten Trillionen, in denen er sein tägliches Bad nahm, verhüllt? dachte der Onkel. Aber dann sähe er seinen Tresor, diesen Jungbrunnen, diesen Quickborn seines Alters nicht mehr! Der bahnhofsgroße Panzerschrank wäre dann so gut wie verschwunden. Er erinnerte sich an den gräßlichen Magier im Zirkus, der erst eine große Dame und dann sogar eine Rolle Taler unter seinem Tuch hatte verschwinden lassen. Fort und weg! Was man nicht mehr sehen und anfassen kann, wo ist das? fragte sich Dagobert und griff sich angstvoll an den Bürzel. Sollte er sich seine Taler etwa vorstellen, anstatt ihren Geruch einzuatmen und ihrem süßen Klingeln zu lauschen? Er war Radikalkonkretist (Gold statt Schecks). Der sensible Künstler merkte indessen, daß das Gespräch eine falsche Richtung nahm. „Jch will auf den Symbolgehalt der Dinge aufmerksam machen!“ sagte er darum beruhigend. Panzerknacker wollten immer nur das eine, beharrte der Alte uneinsichtig. Aber es gehe doch um Symbole, hielt Christo dagegen. Und es gehe doch auch um die anderen. Und seine Neffen versicherten auf Ehrenwort, Super-Christo sei kein Panzerknacker. Nun hielt Christo die Zeit für gekommen, seine Batterie von Argumenten abzufeueren: „Andere Künstler schaffen traurig stimmende Werke, depressive Sachen … Diese (meine) Projekte … sind alle fröhlich und erzeugen gute Stimmung …“ Und dann ein noch stärkeres Kaliber, das unter der Bezeichnung „Happy Artburger“ (oder auch als „the good old value") weltberühmt war: „Jch glaube, daß Kunst wie ein Ventil wirken kann … Das Werk löst so starke Empfindungen aus, daß die Menschen für eine Weile aus ihrer tagtäglichen Misere erlöst werden. Anstelle der Arbeitslosigkeit, Streiks und Ausländerprobleme, diskutieren sie über Werte …“ „Ja, über mein Geld!“ schrie Onkel Dagobert dazwischen. „Onkelchen", ließ sich da Tick hören, der während Christos Kanonade in einem Buch geblättert hatte. Er war der belesenste der drei kleinen Neffen, dieser vorbildlichen Mitglieder des ‚Fähnlein Fieselschweif', „hör doch bitte mal her: Die Schönheit der Kunst ist anders als die Wahrheit der Theorie- verträglich mit der schlechten Gegenwart: in ihr kann sie Glück gewähren. Die wahre Theorie erkennt das Elend und die Glücklosigkeit des Bestehenden. Auch wo sie den Weg zur Veränderung zeigt, spendet sie keinen mit der Gegenwart versöhnenden Trost.“ „Uff!“ machte der Onkel, „wo habt ihr das trostlose Zeug her?“ „Aus unserem Pfadfinder-Handbuch", antwortete Tick. „Vom Autor des Buchs „Die eindimensionale Ente", sagte Track.
Als Kapitalist schaltete Mr. McDuck ziemlich schnell: „Würde denn mein' Geldspeicher durch Ihre Verhüllung zu einer. .. Schönheit?“
"Würde, Schönheit, Ästhetik, Geschichte,“ bestätigte Christo. Als der Überzeugungskünstler merkte, daß der Onkel weich wurde, kartete er nach und schoß sein stärkstes Argument ab, den „Double Free Artburger“ ("Big Ego Mac"): „Meine Werke entstehen nicht, weil der Präsident einer Republik sie gerne haben will oder der Bürgermeister einer Stadt oder der Vorstandsvorsitzende eines Konzerns … Niemand braucht einen verhüllten Pont Neuf … Dies sind Demonstrationen poetischer Freiheit. Um diese Freiheit, ohne Bedingungen, erhalten zu können, müssen meine Werke von mir finanziert werden. Ich bin damit der einzige Künstler der Welt, der seine Arbeiten selbst bezahlt.“ Der Onkel starrte Christo ungläubig an. „Ich lebe wirklich in der totalen künstlerischen Freiheit. Ich kann sagen, daß ich nur das mache, was ich will, wo, wann und wie ich es will", sagte der Künstler bescheiden. „Sie wollen also kein Geld von mir?“ fragte die reichste Ente der Welt begeistert. Christo schüttelte den Lockenkopf. „Jch versuche schon eine ganze Weile, Ihnen zu erklären, daß ich nicht käuflich bin", sagte er. Da strahlte der Onkel und kam hocherfreut hinter dem riesigen Schreibtisch hervorgewatschelt, um dem sympathischen Künstler die Hand zu reichen.
"Ja, wenn das so ist! Wenn sie das mit dem „fröhlichen Ventil“ umsonst machen wollen, dann also okay. Aber nur unter Polizeiaufsicht", setzte er vorsichtig hinzu. Der Künstler erhob sich. Er war mit sich zufrieden. Wieder einmal hatte er sich gegen härtesten Widerstand durchgesetzt und konnte einfach machen, was er wo wann wie wollte. „Die Gebäude gehören gewissermaßen mir", sagte er leise. „Hülle, zwei Wochen, symbolisch.“ präzisierte Dagobert Duck.

(Die Originalzitate vergleiche: „Eulenspiegel oder Revolutionär? Der Kampf um den Reichstag.“
Gespräch mit dem Verhüllungskünstler Christo, von Henno Lohmeyer und Felix Schmidt, Berlin 1993)

Why Uncle Scrooge bought a Roy Lichtenstein at the time

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Look: Die reichste Ente der Welt sitzt in ihrem Geldspeicher auf einem Berg von Talern. Das Kinn auf die über dem Stockknauf gefalteten Hände gestützt, betrachtet Uncle Scrooge zufrieden ein Bild im Goldrahmen: endlich wieder ein Stück gegenständliche Malerei!
Onkel Dagobert hatte mit den Sachen von Jackson Pollock, Willern DeKooning, Franz Kline, Clifford Still nie etwas anfangen können. Die Abstrakten Expressionisten, erklärte ihm im Sommer 1965 John Rublowsky, der gerade sein Buch über Pop Art herausgebracht hatte, schufen „Welten, die ganz in sich selbst ruhten und zu keiner äußeren Realität einen Bezug hatten“. Unverschämtheit: die „abstrakte“ Kunst hatte also nicht nur dem breiten Publikum, sondern auch solch hervorragenden Männern wie Dagobert Duck die Tür gewiesen: wie hätte er beurteilen können, ob das, was die Maler malten, überhaupt stimmte? Ob es wahr war? Ob sie ihn nicht belogen und nasführten? Der un-gegenständlichen Kunst war es gelungen, sich dem kontrollierenden Vergleich mit der Alltagswirklichkeit zu entziehen. Sollten Männer wie Duck, die die Welt kannten, irgendwo nicht mehr mitreden können? Zu Rublowsky, der ihn mehrmals interviewte, sagte er deshalb: „Es waren undemokratische Umtriebe. Nun ist es endlich vorbei mit der Flucht vor der Wirklichkeit!“ Als Multi-Trillionär konnte der alte Duck nicht vermeiden, hin und wieder in Kreisen zu verkehren, die in Ducks' City tonangebend waren. Da saß er dann in einem 44. Stock mißmutig in einem Ledersofa bei einem Glas Mineralwasser und hörte sich das Gerede von Leuten an, die ihm keinen Taler einbrachten. Einmal entdeckte er einen, den er kannte, Robert C. Scull, der in Ducks' City eine Menge Taxis laufen hatte und im Versicherungsgeschäft war. „Hallo, Bob“, schrie Dagobert mit seiner durchdringenden Stimme, „was machst du denn hier zwischen diesen … ehern … ehern … ?“ Scull unterhielt sich gerade mit einem Mann, der nach Ducks Einschätzung Italiener sein mußte. Nun kamen die beiden auf das Sofa zu, auf dem die Ente saß. „Hallo, Dag, alter Knabe“, sagte Scull, „das ist Leo, Leo Castelli.“ Der Italiener war kaum größer als der alte Duck selber. Castelli erzählte ihm er habe in seiner Galerie einen Maler, der „Hot Dogs“ so comicmäßig heiß male, daß Mr. Duck sich daran die Finger verbrennen würde. So kam es, daß Uncle Scrooge mit Roy Lichtenstein bekannt wurde. Er lud den berühmten Pop Artisten in seinen Geldspeicher zu einem Glas Cola ein und bestellte bei ihm schließlich das oben abgebildete Gemälde. Das Bild gleicht der Realität so sehr, daß Mr. Duck den Eindruck hatte, am Ineinanderfließen hinderte die beiden Realitätssphären nur der Rahmen. Er bekam wahrhaftig Lust, die Hände unter das Bild zu halten. Er hatte sich bei Lichtenstein ausbedungen, die Taler im Maßstab 1 zu 1 abzubilden. Das sei „realistischer“ als eine Vergrößerung. Eine Verkleinerung kam ohnehin nicht infrage. Zu kleine Taler hätten ihm starken Widerwillen bereitet. „Für Dagobert Duck ist die symbolische Realität durch eine ein-eindeutige Referenzbeziehung an die Realität der Entenwelt (die Entität) angedockt“, schrieb Rublowsky in sein Notizbuch (für das Proseminar). Der Maler brachte ihm das Bild am nächsten Tag. Uncle Scrooge lud ihn zu einer weiteren Cola ein und begann dann, die Taler nachzuzählen, die auf dem Gemälde abgebildet waren. „Es stimmt nicht“, sagte er nach einer Weile ärgerlich. Der Maler verstand ihn nicht gleich.
“Es ist gut gemalt, Roy, sieht aus wie echt, aber es ist viel weniger. Schauen Sie sich in meinem Geldspeicher um: was Sie sehen, Roy, sind ca. 254 Trillionen Taler. Das Bild, das Sie mir gemalt haben, ist also ziemlich unvollständig, schätze ich!“ Aber Lichtenstein entgegnete cool: „Können Sie alle Ihre Taler auf einmal sehen? Natürlich nicht. Ich habe nur einen Teil des Geldberges malen können. Der Ausschnitt symbolisiert das Ganze. ('Pars-pro-toto', notierte John Rublowsky, für seine Studenten). Das Übrige müssen Sie sich vorstellen.“ „Vorstellen?“ fragte der alte Duck mißtrauisch.
Duck hat sich das Bild dann an die Tresorwand gehängt. Wenn er es ansah, blickte er wie durch ein Fenster nach draußen. Das war der „Ausschnitt“, von dem Lichtenstein gesprochen hatte. Viele Leute haben Hirschbilder oder einen Vasarely überm Sofa. Viele sehen nur fern. Aber fremde Realitäten mag der Onkel nicht. Als Radikalkonkretist stellt Dagobert Duck sich nur das vor, was da ist. Und er mag nur Realitäten, die ihm selber gehören. Daß ein Ding für ein anderes gilt und dieses also symbolisiert, kommt Mr. Duck verdächtig vor. Symbole erscheinen ihm als Verkleidungen und unsolide Stellvertreter. Daß Geld selber ein Symbol ist, fällt der Ente im Traum nicht ein. Was sie so schön hart unter dem Bürzel spürt, ist Sache. Nur „was Sache ist“, will Duck wissen: hingehen, anfassen, mitnehmen. Er verachtet das „Drumrumreden“, das bloße Herumfuchteln mit Zeichen. Aber nicht nur ihm geht es so. In „Gullivers Reisen“ berichtet Swift von konkretistischen Sprachgelehrten der Akademie von Lagado, die gegen Symbole so mißtrauisch waren, daß sie sich lieber durch Sachen ausdrückten: wie ein Hausierer trug solch ein Linguist „ein großes Bündel von Dingen auf seinem Rücken mit sich herum“. Bei einem Gespräch lud er die interessierenden Gegenstände ab, schloß fest den Mund und zeigte auf sie. Die Gespräche blieben auf diese Weise immer streng sachlich. Roy Lichtenstein hätte dem alten Tykoon auch einen seiner gemalten „Hot Dogs“ verkauft. Aber das wollte Duck nicht, denn aus seiner Jugendzeit als Tellerwäscher erinnerte er sich an den Geruch der „Heißen Hunde“. Er erklärte dem Pop Artisten, T a l e r seien für ihn das einzige interessante Thema. „Wissen Sie, warum, Roy?“ Der Maler schüttelte den Kopf. Da sagte die reichste Ente der Welt: „Das Bild mit den Talern ist das Bild der Bilder, Roy. Es enthält jedes andere Bild. Sogar die Mona Lisa.“ Nach einer Weile setzte er hinzu: „Darum kaufe ich nur das eine.“ Lichtenstein erzählte die Sache auf der 42sten seinem Malerfreund Andy W .. „Der alte Duck ist ein toller Typ“, meinte Andy. Auch ich mag Geld an der Wand … Ich meine, daß man das Geld an eine Schnur binden und an die Wand hängen sollte.“ „Nur echte Dollars!“ wandte Roy ein, „meine sind gemalt“. „Ist zu umständlich“, sagte Andy. „Soll ich dir was sagen? Meine Lieblingsskulptur ist eine massive Wand mit einer Öffnung.“ „Wow!“ sagte Roy, „da wird Castelli sauer sein.“

(Andy W. München 1991. 133, 141, 92)