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Published in: taz - die Tageszeitung
Treulose Herrchen
Urlaub mit Hund: schwierig. Mit Hund daheim: traulich. Kleine Kulturgeschichte der Hund-Mensch-Beziehung
Der Hund: ein treuer Gefährte der daheim Gebliebenen. Wer im Sommer nicht verreisen kann, hat wenigstens seinen Hund. Aber wer verreist und seinen Hund mitnehmen möchte, stößt oft auf Unfreundlichkeiten. Denn in manchen Hotels, Pensionen und Ferienhäusern „dogs are not allowed“. Es gibt sogar Schilder, die einen rot durchgestrichenen Hund zeigen. Die Grenze mancher Länder darf man mit einem Hund nur dann passieren, wenn er geimpft ist. Im Prag der alten Donaumonarchie gab es Hundefänger wie den Schwejk, der Hunde klaute und gegen Geld zurückerstattete. Oder schlimmer: Hunde gelten in manchen Ländern als unrein – etwa in Arabien. Zu Kemal Atatürks Zeiten wurden in Istanbul eingefangene Hunde auf eine vorgelagerte Insel ausgesetzt, wo sie sich gegenseitig auffraßen.
Noch schlimmer: In China werden bestimmte Sorten gemästet und von Gourmets verspeist. Und die grotesken Nackthunde, die man dort züchtet? Man soll über sie lachen, wie man früher über Zwerge gelacht hat. Die Aversionen asiatischer Kulturen gegen den Hund sind alt. Als im 16. Jahrhundert mit den rotbärtigen holländische Seeleuten und schwarzhaarigen Portugiesen die ersten Abendländer japanischen Boden betraten, erschraken die Einwohner besonders über deren Tierähnlichkeit, denn noch niemals hatten sie derart behaarte Menschen gesehen. „Mit Erstaunen und Abscheu wurde registriert, welche große Rolle die verachtete Rasse der Hunde im Leben der Europäer spielte. Die Intimität zwischen ‚Rothaarigen‘ und Hunden ließ auf eine bestialische Verwandtschaft schließen. Im Volk hielt sich der Glaube, dass die Männer aus dem Westen ein Bein heben müssten, wenn sie urinierten, und dass sie in ihren Hosen buschige Schwänze versteckten.“ (Frank Böckelmann: „Die Gelben, die Schwarzen, die Weißen“)
Doch was die in Familien eng beisammenwohnenden Asiaten offenbar nicht verstanden, war die soziale Bedeutung des Hundes. Schon im 1781 schrieb Louis Sébastien Mercier in seinem „Tableau de Paris“: „Dazu [zu der großen Menge der Pariser] kann man noch mit zweihunderttausend Hunden rechnen. Kein Bedürftiger, der nicht noch in seiner Dachkammer einen Hund hielte zu seiner Gesellschaft. Einer, der sein Brot mit diesem treuen Hausgenossen teilte, wurde befragt; man hielt ihm vor, er koste ihn zu viel und er müsse sich von ihm trennen. ‚Ich mich von ihm trennen!‘ gab er zur Antwort, ‚und wer wird mich dann lieb haben?‘“ Mag der Hund auf dem Lande zum Bewachen und Jagen dienen, in der großstädtischen Kleinwohnung ist er ein Liebling. Die Einsamkeit in der Großstadt, der Mangel an sozialen Kontakten ist ein Grund, mit einem Hund zu leben.
Dass Hunde Spielzeug und menschenwürdige Kost erhalten, kleine Wintermäntelchen und Zahnspangen tragen, krankenversichert sind und in Särgen begraben werden, ist nur konsequent. Sex mit Hunden? Selbstverständlich, den gibt es auch. Die beliebteste Eigenschaft dieses Tiers ist seine Anhänglichkeit: es kann sein „Herrchen“ oder „Frauchen“ nicht „menschlich enttäuschen“. Man liest von Hunden, die zur Urlaubszeit an einer Tankstelle vorsätzlich vergessen werden und hunderte von Kilometern zurücklegen und gar Flüsse durchschwimmen, nur um ihr treuloses „Herrchen“ wiederzufinden.
Darum sagen Hundefreunde, Hunde seien besser als Menschen. Denn sie sind treu, geben keine Widerreden und haben doch ein richtiges Gesicht. Und wie Hunde sich auch in den schlechten Zeiten freuen können! Zudem kann man im Park mit anderen daheim Gebliebenen unverbindliche Gespräche anknüpfen. Auf den Hund gekommen, nein, das war Diogenes in der Tonne. Er befriedigte die wenigen Bedürfnisse, die er noch hatte, auf der Straße wie ein Hund. Und der Kyniker war stolz auf seine Hundigkeit.