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Published in: newspaper LOBBY / lobster
„Die meisten Leute langweilen sich sonntags!“ meinte Onkel Dagobert und legte einen blitzblanken Taler vom linken auf den rechten, noch etwas kleineren Haufen. Er zählte in seinem Tresor sein Geld, wie fast immer zwischen 16.15 und 18.15 Uhr. „Ihnen fällt die Decke auf den Kopf,“ fuhr er fort, „weil sie mit ihrer Zeit nichts anfangen 'können. Zeit ist nichts für einfache Leute.“
„Aber lieber Onkel,“ meinten die drei kleinen Neffen, „wir freuen uns die ganze Woche darauf, am Sonntag mit dem Fähnlein Fieselschweif Spurenschnüffeln, Pflanzenerkennen und Gangster-und-Sheriff-Spielen zu gehen.“ „Ja ja,“ meinte der alte Onkel weise, „ihr seid noch jung. Das ist etwas anderes. Aber nehmt euren Onkel Donald, den das Gericht unverständlicherweise zu eurem Vormund bestellt hat, obgleich er selber einen bräuchte: Er langweilt sich jedesmal sonntags, wenn ich komme. Er schaukelt in seiner unvorschriftsmäßig befestigten Hängematte und macht ein Gesicht. Und warum? Weil draussen nichts los ist. Keine Menschen auf der Straße, über die er sich ärgern kann, keine Autos, nur Kirchenglocken. Ich bin sicher, er würde gern wie alle anderen ein bisschen durch meine Kaufhäuser bummeln.“ „Aber er hat doch nie Geld, was zu kaufen, lieber Onkel!", wendeten die Kleinen ein. „Er ist doch meistens arbeitslos.“ „Nun ja, augenblicklich hat er mal keine Arbeit, weil ich meine Chips-Fabrik nach Korea verlegen musste. Ihr wisst ja, die Konkurrenz zwingt mich, dauernd den Standort zu wechseln. Aber er hat doch, wie ich ihn kenne, Lust, sich ein wenig zu informieren, nicht wahr.“
„Du meinst Schaufenster gucken?“ „Ja, mit Tante Daisy zum Beispiel. Er würde sich doch gern eine Übersicht holen,. was er vielleicht kaufen könnte, wenn er wieder Geld hätte. Darum lasse ich ja auch Schnupperpreise festsetzen.“ „Aber Onkel, er hat doch nicht einmal Geld, die Tante zu einem Eis einzuladen. Darum sitzt er sonntags so traurig zu Hause.“ „Wenn ihr glaubt, mir für euren faulen Vormund auch nur einen einzigen Taler zu entlocken, täuscht ihr euch. Ich bleibe dabei, der kleine Mann auf der Straße langweilt sich sonntags, weil er nicht ein bisschen was einkaufen kann. Denn Einkaufen macht ihm Spaß. Die einfachen Leute lieben den Konsumrausch weil sie mit ihrer Zeit nichts anfangen können.“ „Ach Onkel, was weisst du denn von dem kleinen Mann auf der Straße!“ empörten sich Tick, Trick und Track. „Erstens, ihr Klugscheißer, weiss ich das, weil ich selber mal ein solcher war. Und zweitens habe ich den unumstößlichen Beweis, dass ich recht habe.“ „Und wie geht der, dein so genannter Beweis?“ „Würde der kleine Mann mir sei ne Zeit so liebend gern verkaufen, wenn sie ihm kostbar wär, nun? Will denn euer famoser Vormund nicht dauernd in einer meiner Fabriken seine Zeit verbringen? Er verkauft sie mir. So einfach ist das.“ Onkel Dagobert lehnte sich zufrieden in seinem Lederbossel (Abkürzung für Boss-Sessel) zurück. Die drei kleinen Erbneffen ließen die Köpfe hängen. Es war ja richtig, dass die meisten Leute auf der Welt am liebsten in einer von Onkel Dagoberts Unternehmungen eine Arbeit hätten. Das war nicht zu leugnen. Sie alle wollten ihrem reichen Onkel ihre Lebenszeit hergeben, damit sie dafür Geld genug bekämen, um es in seinen Kaufhäusern auszugeben. Aber musste das denn sonntags sein? Onkel Gustav, Ihr kennt ihn, der schöne Mann der Familie, Glückspilz von Beruf und Liebling aller jungen Enten, saß die ganze Woche mit dem Händy im Café Größenwahn und vermittelte Geschäfte zwischen Leuten, die man nie sah. Manchmal legte er bloß das eine Händy neben ein anderes und ließ die Geschäftsleute selber miteinander verhandeln, während er sich seine Fingernägel betrachtete. Provision bekam er. Woher sollte er sonst das Geld für einen Bugatti haben? „Hallo Kinder!“ winkte er Tick, Trick und Track zu, die mit saurem Gesicht auf dem Bordstein entlangschlichen, „kommt her zu Fortunas Liebling, er spendiert euch ein extragroßes Gelato con Tutto!“ „Wow!“ riefen die Kinder begeistert. „Ein Rieseneis mit allem!“ Während sie an ihrem Eis „die Zunge machten", mussten sie an die Frage denken, die ihnen den Kopf zerbrach. „Onkel Gustav", begann Tick darum, „wie hältst du's mit dem Sonntag? Magst du ihn?“ „Der Sonntag? Ist heute einer? Ach, wisst ihr Kinder, ich unterscheide da nicht groß. Es ist ein Tag wie jeder andere. Aber wenn ich was einkaufen will, muss ich zum Flughafen fahren, das ist störend. Daran erkenne ich den Sonntag.“ „Aber warum zum Flughafen, du könntest doch auch werktags deine Einkäufe erledigen und hier zu DD'Best gehen.“
"Erstens gehe ich nicht zu DD'Best, weil ich Onkel Dagoberts Kettenläden nicht einmal mit einer Fußspitze betrete, sondern ich mache mein kleineres shopping in Läden einer doch etwas anspruchsvolleren Qualitätskategorie. Zweitens habe ich in der Woche einfach keine Zeit dazu. Von 10–11 Uhr mache ich Garderobe, dann vor Tisch gewisse Besuche, dann speise ich mit einigen Herren zu Mittag, dann ein kleiner Verdauungsspaziergang in Begleitung einer guten Havanna, dann eine kleine Siesta, dann muss ich ins Café ein bisschen telefonieren, dann muss ich Theater- und Konzertkarten für den Abend besorgen und einen Tisch im Chez Pierre bestellen, dann umziehen, dann zum Dinner et cetera p.p. Also zum Einkaufen bleibt mir nur der Sonntag. Ich denke, Vuitton, Armani, Gucci, Prada, Bally usw. sollten da schon offen sein, falls man mal vorbeischauen möchte, doch.“ Bei Oma Duck ist der Sonntag natürlich wie er immer war. Die alte Dame backt einen großen Kranzkuchen und erwartet, dass alle kommen. Und wehe, einer fehlt. Selbstverständlich ist außer Donald, Daisy und dem stets hungrigen Daniel Düsentrieb, der leider furchtbar schmatzt, weil er ein ausgemachter Single ist, auch der alte, reiche Onkel Dagobert zugegen. Während alle im Garten um den Tisch sitzen, ihren Tee schlürfen und dem Eichhörnchen zusehen, das wie der Teufel in der alten Platane herumsaust, blicken die Kinder einander an, jawohl, die Frage muss raus. „Warum", fragen sie im Chor, „bist du lieber Onkel, sonntags nicht im Büro?“ „Im Büro? Sonntags? Ich?“ wundert sich Onkel Dagobert. „Ich will doch wenigstens einmal in der Woche meine Ruhe haben! Hört doch das liebe Vogelgezwitscher! Ob das eine Amsel ist?“ „Bist du denn nicht für die Abschaffung des Sonntags?“ „Für verkaufsoffenen Sonntag, jawohl. Für den kleinen Mann.“ „Und du?“ „Ich hab' doch schon alles, Kinderchen", sagte der Onkel und griff so schnell auf Donalds Kuchenteller hinüber, dass der überhaupt nichts merkte, weil er seine Daisy anhimmelte.