Spaghetti food with family Duck

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Published in: newspaper LOBBY / lobster


 

„Ich weiß nicht, mein lieber Donald,“ meinte Daisy Duck pikiert, „die Essmanieren der Kinder sind nicht comme il faut.“ Onkel Donald schaute verwirrt von seinem Teller auf. Denn er hielt den Kopf tief über seine Spaghetti gebeugt, um den Weg vom Teller zum Schnabel zu verkürzen. „Was meintest du, Daisylein?“ „Die Essmanieren von Tick, Trick und Track! Sieh dir das an! Sie sind nicht so wie sie sein sollten! Schauderhaft.“ Nun richtete sich der Erziehungsberechtigte auf, warf einen strengen Blick. auf seine drei Mündel, denen links und rechts Spaghettienden aus dem Schnabel hin· gen, und schrie im höchsten Erpelton: „Ihr fresst wie die Bassottini!“ Und dazu haute er auf den Tisch. Die Bassottini sind die Kinder der Bassotti, der italienischen Fraktion der global operierenden Panzerknackerbande. Anstelle des Messers liegt bei letzteren ein Ballermann neben dem Teller. „Donald, bitte!“ mahnte Daisy, „Bitte nicht bei Tisch, solche Wörter!“ Es heisst ,speisen'!“ „Ihr speist wie die Bassottini!“ schrie Donald artig. Doch jeder konnte sehen, dass er selbst wie ein Bassotto - speiste. „Nehmt euch ein Beispiel an Vetter Gustav!“ flötete Daisy. Ja, der schöne Gustav weiß, wie man Spaghetti isst. Er zieht nur immer drei oder vier, höchstens fünf aus dem Teller, wickelt sie elegant um die Gabel, die er mit den Zinken zart an der Schlürfseite eines Esslöffels abstützt, und führt alsdann das fest gewickelte Päckchen ohne den geringsten Spritzer in den Schnabel ein, wobei er den kleinen Finger ein wenig abspreizt, um die Balance der Hand zu halten. (Wegen dem schweren Goldring, den er im Foyer des Hotel Ritz gefunden hat. Denn bekanntlich ist er der begabteste Glückspilz von Ducks City.) Dem alten Onkel Dagobert ist Benimm schnurz. „Spaghetti, das ist etwas für Italiener“ hat er einmal gesagt, und: „Ich bin eine amerikanische Ente.“ Tatsache ist, dass der Welt mächtigste Konzernente, die mit Charlie Chaplin durch den Wilden Westen gewatschelt war – sie hatten die letzte Schuhsohle geteilt und mit Behagen sogar die Schuhnägel abgelutscht – jetzt stets eine Alu-Büchse mit 2 Hamburgern aus der konzerneigenen Imbisskette mit sich führt. (Seit kurzem nicht mehr McDonalds, sondern McDagoberts.) Daisy schaudert' s, wenn der reiche Onkel den Hamburger mit beiden Goldgräberfäusten zusammenknautscht, bis der Ketchup spritzt, mit den zwei Zählfingern an dem Salatblatt zieht oder auch schon mal extra was „fast food“ herausflutschen lässt. Während die Kinder mit den Gabeln herumfuhrwerkten und Donald die Spaghetti vom Teller saugte, um möglichst viele auf einmal hineinflitzen zu lassen - er wollte es endlich hinter sich bringen –, speiste Vetter Gustav gewandt unter Daisys wohlwollendem Blick. Er sagte mit der ihm eigenen Vornehmheit: „Wenn Daisy es wünscht, bringe ich es euch bei, Kinderchen.“ Tick, Trick und Track runzelten die Augenbrauen. Sie essen fürs leben gern Spaghetti mit Tomatensoße, aber so, dass es Spaß macht. Zuhause machen sie immer große Spaghetti-Feste: Alle, auch Donald, ziehen ihre Spaghettischürzen an. Zum Glück ist alles gekachelt. Hinterher machen sie gemeinsam sauber. Aber ihr Lieblingsgericht unter Zwang essen, nein! „Es gibt auch eine hübsche Belohnung!“ lockte Tante Daisy. Belohnung? Das ließ sich hören. „Selbst wenn ich ganz allein auf einer verlassenen Insel ausgesetzt wäre, würde ich mich – vorausgesetzt, ich hätte meine Sachen dabei – zum Souper grundsätzlich umziehen.“*
erklärte der schöne Gustav den Kindern. Er hat zweifellos so vollendete Manieren wie Oskar Wilde, der berühmte Dichter und Oberdandy. „Hähä, zur Suppe umziehen!" höhnte Donald eifersüchtig und böse. „Zum Souper, du ungebildeter Mann!" schalt Daisy gutmütig und warf Gustav einen vielsagenden Blick zu. Gustav lud die Kinder wirklich in seine delikat ausgestattete Junggesellenwohnung ein, wo es von erlesenen Kostbarkeiten nur so wimmelt, denn Gustav hat einen unanfechtbar sicheren Geschmack. Dort brachte er ihnen höflich das elegante Speisen bei. Daisy war dann über den guten Benimm der Kinder ganz aus dem Häuschen. „Sind sie nicht süß, die drei!" rief sie entzückt. Nun aß nur noch Onkel. Donald „wie ein Bassotto“. Und der alte zahnlose Dagobert verzehrte seinen ledernen Hamburger laut schmatzend nach Westernart Zur Belohnung lud Tante Daisy die Kinder ins „Da Rudolfo" ein, zum vornehmsten Italiener von Ducks City. Als sie gerade Platz nehmen wollten; bemerkte Trick: „Da hinten sitzen Bassottini!" Tatsächlich, an einem großen Tisch in der Nähe der Küche saßen eine Menge Bassottini und auch ein paar große Bassotti dabei. Sie hatten die Ducks längst erkannt und grüßten hohnvoll mit der Gabel. Einer vollführte verdächtige Bewegungen mit dem Messer. übrigens machten sie 'solch einen Krach, daß Daisy sich beim Ober beschwerte.
Alle Ducks bestellten sich, also es ist wahr, sie bestellten sich alle Spaghetti. Ausser Onkel Dagobert. Er hatte seinen Zylinder.unter den Tisch gestellt und zum Missvergnügen des Obers bereits laut mit dem Verzehr seiner Mitbringsel begonnen. „Und was wünschen Sie zu speisen, Signore?" fragte der Ober. „Ich?" schmatzte der Große Onkel, „ich esse prima Hamburger aus eigener Herstellung." „Hier müssen Sie etwas bestellen, mein Herr!" beharrte der Öber. „Hier? ln meinem eigenen Restaurant?" krächzte Onkel Dagobert. Denn, was der arme Ober nicht wusste, auch hier gehörte wieder alles der reichsten Ente der Welt. Inzwischen war Rudolfo, der Padrone, zur knietiefen Entschuldigung herangeeilt. Dann wurden die Spaghetti serviert und die Ducks begannen hochelegant zu speisen. Kein Schlürfen, kein Spritzen. Nur Onkel Donald hielt den Schnabel direkt am Tellerrand. Aber das gleichmäßige Schmatzen des zahnlosen Alten war nervend. Daisy hielt es nicht mehr aus. „Hier schmatzt was!“ rief sie angewidert und blickte stechend. Die alte Hochfinanzente schien nichts zu merken. „Hier schmatzt was!" wiederholte Daisy spitz. Und da, wer hätte ihm diese Feinfühligkeit zugetraut, erhob.sich der alte Onkel, klaubte die verstreuten Reste seiner Hamburger zusammen und ging. „Aber Onkel Dagobert!" riefen die Kinder, „Wohin gehst du?" Der alte Onkel schlurfte zwischen den vollbesetzten Tischen hindurch, seine Alu-Büchse in der Hand, nickte zu Rudolfo hinüber und: Tante Daisy griff sich ans Herz, Gustav verlor die Serviette und der cholerische Onkel Donald haute wie immer mit der Faust auf den Tisch. Denn der mächtige Konzernherr setzte sich, nichtzufassen, mitten unter die Bassotti, die zum Essen ihre Augenbinden an die Garderobe gehängt hatten und ihn johlend begrüßten. Die Bassottini quietschten vor Vergnügen, Rudolfo lachte, und am Tisch der Bassotti ging es hoch her. Hin und wieder wandte eifrig Bassottino sich um und drehte den Duck seine lange Nase. „Unerhört!" empörte sich Daisy. „Nicht die Spur von Benimm!" „Sie passen ja gut zusammen," meinte Gustav und hob die Brauen. „Ja," sagte Tick mit dem Riesen-IQ. „Die interessieren sich alle unbestreitbar für dasselbe und nur für das eine: Taler." „Aber unser Onkel klaut doch nicht!" wandten seine Brüder ein. „Nicht direkt," erwiderte Tick betrübt. Tick ist ein wirklich kluger Junge und wird vermutlich dereinst den weltumspannenden Konzern führen.

* Oskar Wilde