Salvatore A. Sanna

Im deutschen Wetter
Salvatore Sanna und seine Begeisterung für das Projekt, deutsche und italienische Kultur zusammen zu bringen

"Was willst du deutsch lernen, sagte mein Vater zu mir." Das war 1954. In Sardinien musste man damals nicht wissen, dass "deutsch" eine Zukunft hat. Salvatore Sanna spricht das Deutsche ohne Akzent. 1958, als man Italiener bei uns noch nicht mochte, versuchte er, mit einem Jahresstipendium der sardischen Regierung in Köln zu studieren. "Es war so kalt," sagt er, "dass ich mit Mantel und Mütze geschlafen habe." Deutsches Wetter eben. Dann vertrat er einen Sizilianer an der Berlitz-School. So wurde er zufällig Lehrer.
Das Klischee verlangt, dass Italiener Restaurants, Delikatessenläden und Modegeschäfte betreiben, aber dass sie erfolgreiche Intellektuelle sind, und das im Ausland, erwartet man nicht. Erfolgreich ist Sanna, weil er es verstanden hat, seine vielseitigen Interessen zu bündeln und finanziell zu fundieren. Im Jahre 1966 hat er mit seiner (verstorbenen) Freundin Trude Müller die Deutsch-Italienische Vereinigung gegründet, mit 4000 Mark, die er für seinen Ford bekommen hat.
Der Verein, der heute über 5oo Mitglieder und 16 Mitarbeiter zählt, lässt sich durchaus mit einem Goethe-Institut vergleichen, nur dass Italien dafür keine Lira locker machen muss. Es ist eine reine Privatinitiative, denn Sanna schätzt seine Unabhängigkeit.
Das Programm bietet Sprachkurse, Vorträge und eine Galerie – die Westendgalerie –, die vornehmlich italienische Künstler zeigt, darunter Größen wie Fontana, Dorazzio, Morandi, Vedova, Melotti, deren Werke auch in Sannas winzigen, mit Büchern und Katalogen vollgestellten Büro zu sehen sind.
Die hübsche kleine Villa in der Arndtstraße hat der Verein 1974 von der italophilen Eigentümerin kaufen können, nachdem Bundesbankpräsident Blessings Vize, der Sozialdemokrat Heinrich Tröger, nach einem Galeriebesuch einen Kredit vermittelte. Auch Glück, gewiss. "Wenn man Begeisterung hat, hat man auch Glück," sagt Sanna. Und von nirgendwo Unterstützung? Doch, von der Stadt Frankfurt, 3 400 Mark im Jahr. Im Jahr!
Gleichwohl sagt Sanna Gutes über die Stadt: "Frankfurt ist, verglichen mit anderen Städten, Ausländern gegenüber großzügiger. Neulich bin ich noch um 18 Uhr wählen gegangen. Die haben sich gefreut: ein Ausländer!" Und: "Die Art, wie man hier lebt, sprach mich an."
Außer den Verein hat Sanna die Zeitschrift Italienisch mitgegründet, die seit 1979 erscheint, zuletzt mit der Nr. 44. Sie ist – mit Ausnahme von Zibaldone – hier die einzige wissenschaftliche Zeitschrift über italienische Literatur. Außerdem war Sanna, der über die politische Satire Heinrich Heines in Cagliari promoviert hat, von 1962 bis 1998 Lektor und dann Studienrat im Hochschuldienst für Italienische Sprache und Literatur an der Frankfurter Universität. Nachdem er auf die Verfassung geschworen hatte, wurde er deutscher Beamter.
Und die Studentenunruhen? Einmal fanden zwei Studentinnen seine Lyrikvorlesungen unpolitisch und elitär. Sanna trickste sie aus: "Wissen Sie, wer der größte Lyriker ist? Mao Tse Tung."
Und endlich ist er außerdem ein Poet, 1996 ausgezeichnet mit dem Premio Pannunzio – mit einer Laudatio von Luigi Malerba. Er hat fünf zweisprachige Gedichtbände veröffentlicht. Der gemeinsame Nenner all dieser Aktivitäten ist für ihn "das Bestreben, die italienische und deutsche Kultur zusammen zu bringen, die einander ergänzen".
Nachdem er vor dem drohenden Militärdienst 1961 den Carabinieri entwischt und nach Deutschland "emigriert" war, hat er sich zunächst als Sprachlehrer und Übersetzer von Werbetexten durchgeschlagen. Seine Distinguiertheit hielt ihn nicht ab, auch für die IG Metall zu arbeiten, an Notizie, der Zeitung für italienische Arbeitnehmer. Er hat auch die Gewerkschaftssatzung übersetzt. Alle Aktivitäten des zart, aber fest wirkenden Mannes basieren auf der Sprache, die er beherrscht, die er liebt und mit deren Ambiguitäten er spielt, als Dichter. Wenn man Brücken zwischen den Kulturen schlagen will, welches Medium eignet sich dazu besser?
Und die Message? Sanna zögert nicht: "Sich für etwas begeistern". Der Mann ist 67 und er hat Feuer! Aber er sorgt sich. Wie soll er für den Posten eines – ehrenamtlichen – Geschäftsführers ("Ich kriege nichts") einen Nachfolger finden, bei einem Acht-Stunden-Tag? Wenn Salvatore Sanna einmal aufhört, wird dann alles zusammenfallen, was er aufgebaut hat?

Frankfurter Rundschau vom 25.04.2001, S. 28, Ausgabe: R Region