Ich würde sagen

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Frage: „Halten Sie Bill Gates oder Dagobert Duck für die reichste Ente der Welt?“ Antwort: „Ich würde sagen, der Talertrillionär ist die reichste Ente der Welt.“
Anstatt zu antworten, Onkel Dagobert ist die reichste Ente der Welt, „ich würde sagen, er ist es“. Sagt der Gefragte es nun oder sagt er es nicht?
„Ich würde sagen“ ist eine Redensart aus dem universitären Seminar, die von Intellektuellen oder von solchen, die als intellektuell erscheinen wollen, häufig auch im Alltag verwendet wird. In der Universität entstand die Redewendung, um auszudrücken, dass der Sprecher das Gesagte nur modellhaft verstanden wissen möchte. Die Behauptung wird derart aus der Diskussion herausgenommen, um auf einer andern Ebene für sich betrachtet zu werden, d.h. ohne Einfluss des Kontextes und ohne die Beachtung der situativen Bedingungen und der möglichen Folgen des Gesagten. Das Gesagte hat so den Status eines Beispiels. Streng genommen kann der Sprecher für das so Gesagte nicht verantwortlich gemacht werden. Denn er hat es ja nicht wirklich – d.h. mit Wirkungen – gesagt, sondern im Sinne von „Es sei einmal dahingestellt….“ Im Deutschen machen wir, wenn wir behaupten, dass Onkel Dagobert die reichste Ente der Welt ist, eine so genannte ontologische Aussage, die das Sein betrifft, mithin das, was ist. Im englischen Sprachgebrauch würde die Behauptung über den Onkel durch „Ich denke (oder ich vermute, glaube usw.), dass der Onkel die reichste Ente der Welt ist, eingeleitet werden. ("I suppose uncle Dagobert is the richest duck in the world, isn’t he?") So drückt der englische Sprecher aus, dass er persönlich der Ansicht ist, dass der Onkel die reichste Ente der Welt ist, und er räumt damit zugleich unausgesprochen ein, dass man auch anderer Ansicht sein könnte. Obwohl die Engländer das „Ich“ groß schreiben, sind sie insofern bescheiden, als sie die Frage, ob der Onkel wirklich und wahrhaftig die reichste Ente der Welt ist, höflich diskutabel lassen. Darum auch der Nachsatz im Englischen: isn’t he?, also etwa „nicht wahr?“ Diese Einladung zur Diskussion eines behaupteten Sachverhalts ist sehr kultiviert, weil sie die anderen mit einbezieht, wohingegen die Behauptung auf Deutsch ausschließlich, d.h. sehr autoritär anmutet. Im Grunde steht hinter der Einladung die demokratische Kultur, die eine Argumentation anleitet, die ja stets unterstellt, dass auch der andere Recht haben könnte. Ausdruck eines hierarchischen Verhältnisses ist dagegen der Befehl. Dazu passt, dass die adressatenspezifische (pragmatische) Dimension des Sprechens im deutschen Sprachgebrauch unterentwickelt ist. Den Sprecher interessiert gewöhnlich besonders die sachbezogene (semantische) Dimension, wie man feststellen kann, wenn man Professoren oder Parlamentariern zuhören muss, die ihren Vortrag Wort für Wort vom Manuskript ablesen – ungeachtet des Publikums. Ein Professor an einer amerikanischen Universität könnte sich solche Introvertiertheit nicht leisten, da er, wenn ihm die Studenten wegliefen, sehr bald seine Professur verlöre. Denn die Universitäten werden in den USA von Privatleuten gesponsert. Ein anderes Beispiel ist die Gebrauchsanweisung: in Deutschland werden sie von Technikern sachbezogen formuliert ohne Rücksicht darauf, ob die Erklärung für den Adressaten verständlich ist.
Die Einleitung „Ich würde sagen“ oder aufgeblasener „Ich würde behaupten wollen“ mildert zwar die autoritäre Ausdrucksweise ab, wirkt aber andererseits elitär und gehört insofern zur Diktion der political correctness, die Sachverhalte sanft umschreibt, um ihrer Feststellung das oft Anstößige zu nehmen. Gegen diese Verschleierungstaktik wendet sich der Populismus, der es direkt, deutlich, derb, kurz und bündig, das heißt „authentisch“ mag, echt eben. Das gilt „denen da oben“ als „prol“. Dem entspricht dazu noch die Abneigung gegen die Höflichkeit, die ja ursprünglich von der sehr artifiziellen, ritualisierten und distanzierten Umgangsweise bei Hofe stammt.