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– bezogen auf Charlotte Posenenskes Vierkantrohre (Entwurf)
Gegen die Kommerzialisierung der Kunst verfolgte Charlotte Posenenske in ihrem Werk mehrere Strategien, die sich gegen den herkömmlichen Begriff des Kunstwerks und des Künstlers richten. Sie wollte ihre Arbeiten als normale Ware verstanden wissen (die Rezipienten ihrer Kunst bezeichnete sie als Konsumenten.) Aus dieser Vorstellung resultieren verschiedene Entscheidungen:
– Ihre Kunstwerke werden fabrikmäßig hergestellt.
– Sie sind keine Unikate, sondern Prototypen, die reproduziert werden, solange eine Nachfrage existiert.
Es gibt also keine Originale, sondern nur Reproduktionen, die nicht datiert sind.
– Die Kunstwerke werden nicht in limitierten Auflagen, sondern in unabgeschlossenen Serien hergestellt
(und vorzugsweise als serielle Formationen ausgestellt, siehe unten.)
– Die Künstlerin beteiligte andere an der Produktion (Partizipation)
– Daher signierte sie ihre Arbeiten nicht.
– Die Verkaufspreise setzen sich aus den Kosten für die Produktion, den Transport und die Galeriearbeit zusammen.
Sie sollen so niedrig wie möglich sein. Die Künstlerin erzielt keinen Profit.
– Sie verließ die Galerie als eine im Wesentlichen kommerzielle Institution und zeigte ihre Arbeiten in der Stadtöffentlichkeit (Verkehrsinseln, Flughafen).
Alle diese Entscheidungen stellen den traditionellen Status des Kunstwerks und des Künstlers infrage. Dieser stellt nicht mehr in einem einsamen Schöpfungsakt Originale her, die als Unikate am Markt möglichst hohe Preise erzielen. Zu den arbeitsinternen Strategien gehört die Auflösung der Ganzheit einer Arbeit. Traditionell war ein Kunstwerk ein konturiertes und strukturiertes Ganzes. Serialität, also im Falle der Reliefs der Serie B die Addition gleicher Elemente, löst diese Ganzheit auf. Eine Serie beginnt mit 3 Elementen. Das Charakteristikum der Serie ist ihre prinzipielle Fortsetzbarkeit – in Raum und Zeit. Das heißt, jede Installation ist ein Fragment. Eine elementarisiertes, serielles Kunstwerk kann also vergrößert oder verkleinert werden, jetzt oder später. Die Vierkantrohre der Serie D haben unterschiedliche Oberflächen: die durch die Zinkblüten dunkle Oberfläche der Stahlbleche deutet auf eine frühere Herstellung hin. Diese Bleche dürfen heute in Deutschland wegen der enthaltenen Gifte nicht mehr produziert werden. Die neueren Bleche sind hell. Die meisten Sammler bevorzugen eine einheitliche Oberfläche, welche eine Installation als eine Ganzheit erscheinen lässt, während eine Kombination von Elementen unterschiedlicher Oberfläche heterogen wirkt und derart den Eindruck der Ganzheit eher verhindert.
Das Ideal der Ganzheit ist ihre Perfektion. Als vollkommen gilt ein Kunstwerk, wenn weder etwas zugesetzt noch weggenommen werden kann, ohne es zu verletzten. Perfekt ist ein Kunstwerk, wenn es in diesem Sinne fertig ist, vollendet.
Der Begriff der Ganzheit hängt mit dem Begriff des Originals und dem Begriff des Originale schaffenden Künstlers zusammen. Gesetzt, die Komposition, also die neuartige Zusammenstellung von Formen, Farben oder Gegenständen, die man so noch nicht gesehen hat, ist der Ausdruck kreativer Schöpferkraft, dann hat der Künstler, der dieselben Elemente seriell anordnet, seine kreativen Potenzen aufgegeben. (Der Mit Charlotte Posenenske befreundete Künstler Peter Roehr schrieb, die Montage der von ihm ausgewählten Elemente, könne auch eine Maschine übernehmen. Ein Künstler, der immer dieselben Handgriffe macht, ist ein gewöhnlicher Arbeiter.)
Die Serie ist tendenziell endlos. Eine Anzahl seriell angeordneter Elemente ist - wie gesagt - ein Fragment, dessen Fortsetzung vorgestellt werden kann/muss. Durch die Fortsetzbarkeit kommt die Dimension der Zeit ins Spiel.
Die Fortsetzbarkeit, d.h. die Offenheit des Kunstwerks, fordert die Vorstellungskraft des Betrachters heraus. Er sollte sich die Fortsetzung des Fragments vorstellen und insofern an der Erarbeitung des Kunstwerks partizipieren. (vgl. Torso) Die Partizipation ist bei Charlotte Posenenske auch praktisch: die Kuratoren, Sammler und überhaupt die „Konsumenten“ sollen die unterschiedlichen Elemente der Vierkantrohre nach eigenem Gutdünken zusammensetzen und positionieren.
Die Zerstörung der Ganzheit eines Kunstwerks durch die Serialität hat in den 60er Jahren sicher unterschiedliche Motive. Ein Motiv mag das bekannte Bedürfnis der Künstler nach Entgrenzung sein, für das es noch andere Beispiele gibt: In den 60er Jahren wurde der Rahmen des Tafelbildes, der die Grenze zur Außenwelt bildet, gesprengt und die Kunst verband sich mit seiner Umgebung. Der Sockel trennte einst die Skulptur von der Außenwelt. Rodin war der erste, der seine Skulpturen auf den nackten Boden stellte („Bürger von Calais“), später Duan Hanson u.a., sodass der Betrachter der Kunst auf Augenhöhe begegnete.