Swirl over drain pipe
Works by Peter Roehr in Cologne
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Published in: Frankfurter Rundschau
Strudel über Abflussrohr
Arbeiten des früh verstorbenen Peter Roehr in Köln
Das junge Publikum in der kleinen Kölner Galerie rechnet sich aus, in welchem Alter Peter Roehr die Filmmontagen gemacht hat, die es aufmerksam auf dem Monitor verfolgt.
Mit 21 Jahren. Wow! „Das Beste, was ich in den letzten zehn Jahren gesehen habe,“ urteilte damals der Düsseldorfer Avantgarde-Galerist Alfred Schmela, als Roehr ihm seine Mappe zeigte. Doch stellte er den Frankfurter Künstler nicht aus, weil er ihm noch zu jung war. Bald darauf starb Peter Roehr, mit 24 Jahren, 1968, als Flower Power, die Beatles und Pop Art die Welt auf den Kopf stellten und die Studenten auf die Straße gingen. Ihm waren für seine Arbeit gerade fünf Jahre geblieben. Zu Lebzeiten hatte er fünf Einzelausstellungen und verkauft hat er kaum etwas. Heute hängen seine Arbeiten im Museum und er gilt als einer der bedeutendsten deutschen Künstler jener Zeit und darüber hinaus.
Sein ebenso einfaches wie strenges Konzept besteht in der fugenlosen Reihung identischer industriell hergestellter Gegenstände. Zur seriellen Montage hatte der Künstler nur noch zwei Entscheidungen zu treffen, die Auswahl der anzuordnenden Objekte und die Festlegung ihrer Anzahl. Hinzu kommt die Grundsatzentscheidung, die Gegenstände möglichst quadratisch anzuordnen, das ideale Format, da es weder horizontal noch vertikal ausgerichtet ist. Die Gleichförmigkeit der Elemente, die Monotonie der Reihung und die Richtungslosigkeit des Formats garantieren größtmögliche Ruhe, die weitgehende Abwesenheit jeder Dramatik. Das Konzept war gegen das Subjektivistische der damals noch vorherrschend gestischen Malerei und der Komposition gerichtet. Der Künstler als Ausnahmemensch und Weltenschöpfer war nicht nur Roehr verdächtig.
Nach der umfassenden Retrospektive im Neuen Museum Weimar vom vergangenen Jahr zeigt die junge Kölner Galerie BQ ein Konzentrat des schmalen Oevres aus dem von Paul Maenz verwalteten Nachlass des Künstlers. Interessant sind die frühen (1963) hektografierten Blätter mit Serien jeweils eines einzigen mit Schreibmaschine getippten Zeichens (Typografien) auch darum, weil Roehr das Prinzip der Serie – als Hektografie – aus der Kunst in die Warenwelt fortsetzt, der es ja ursprünglich entstammt. Roehr hatte ein quasi-mechanisches Verfahren gefunden: drückte er bei den Typografien nur die selbe Taste, so montierte er etwas später die selben Kaufhausartikel – Büchsen, Knöpfe, Schachteln – oder identische Fotos aus Werbebroschüren in Reihen hinter- und untereinander. Ausgestellt sind weiter fünf gleiche Arbeiten aus 7 mal 7 zu einem Quadrat angeordneten runden Lochverstärkern. Auch hier nicht nur identische Elemente, sondern darüber hinaus schon die Tendenz zur Identität der Arbeiten selber, wie die berühmten Tafeln schwarzer Etiketten, mit denen er sein Werk 1967 abschloss.
Mit der Identität der Elemente und ihrer fugenlosen Reihung entfällt alle Information, die aus Differenzen zu ziehen wäre – wie etwa bei Warhol und später bei Allan McCollum („perfect vehicle“). Interessant an den Filmen (wie bei den nicht ausgestellten Fotoarbeiten) ist der Kampf der suggestiven Inhaltlichkeit der Bilder gegen den Effekt ihrer Wiederholung. Bei welcher Anzahl von Wiederholungen verliert sich der Bildinhalt? Es kam Roehr darauf an, den Punkt herauszufinden, an dem sich eine durch die Wiederholung erzeugte Struktur vom Inhalt ablöst, verselbstständigt und die Bildsemantik dominiert.
Es ist spannend zu verfolgen, wann der oft hochdramatische Inhalt der Sequenzen – etwa ein herabstürzendes und explodierendes Auto, ein ins Wasser stürzender Lastwagen oder ein gefährlich anmutender Strudel über einem Abflussrohr – seine Kraft erschöpft und die reine Bewegungsstruktur hervortritt. Roehr schrieb: „Ich verändere Material, indem ich es unverändert wiederhole.“ Die Tonmontagen – meist aus Werbesendungen im Radio – sind in der Galerie per Kopfhörer erfahrbar.
Mit der Minimierung der Entscheidungen nahm Roehr sich als Künstler soweit zurück wie es irgend ging. Die Objektivierung ist derart, dass die Montage – hier der Vorgang des Tippens oder Schneidens – auch anderswo von irgendwem hätte vorgenommen werden können. Radikaler als alle vergleichbaren Künstler hat Roehr den Paradigmenwechsel von originärer Kreativität zu standardisierter Kunstproduktion vollzogen. Zuletzt wollte er Kunst zum Selbermachen vertreiben. Dann gab er die Kunst ganz auf.
Galerie BQ, Wormser Straße 23, Köln, bis 24. Februar 2001.