Onkel Dagoberts Stiefmütterchen-Allergie

Es war wieder mal der Erste, und Onkel Donald konnte die Miete nicht bezah­len. Schon am Zweiten würde der Hauseigentümer auf der Matte stehen: niemand anderer als der Große Onkel Dagobert Duck, reichste Ente der Weit und globaler Immo­bilienspekulant (Neulich hat er dem gerissenen New Yorker Baulöwen Donald Trump das Empire State Building abge­jagt. Es stand in allen Zeitun­gen .
Und der reiche Onkel würde – Verwandtschaft hin. Verwandtschaft her – wieder krakeelen: „Faulenzer. Nichtstuer. Tagedieb. Habenichts.“ Undsoweiter. Das Übliche, was man sich so anhören muß, wenn man arbeitslos ist. Und dann würde er Donald das dreckige Angebot machen. das er ihm immer machte. wenn er ihn kleinkriegen wollte: Sonntags im Geldspeicher Taler putzen. Sonst Kündigung. Das war demütigend, deprimierend, ekelhaft. Sonntags! Als hätte Donald, nur weil er ohne Arbeit war, nicht auch das Recht auf Sonntag! Nein! Nicht einmal die eigenen Taler würde Donald putzen, nicht mal montags. Wenn er welche hätte. Aber er hatte ja keine.

Onkel Donald war zerknirscht. Das Leben meinte es nicht gut mit ihm. Vielleicht war er selber schuld? Quatsch, er hatte immer getan, was er konnte. Oder? Es ist wahr: Eine blöde Arbeit wie Talerputzen fand er eben blöd. Wenn er sich sonst nichts gönnte: Die Wahrheit sagen, das leistete er sich! Es gab einen Haufen unzumutbarer Arbeiten. Fensterputzen! Abwaschen! Fegen! Staubwischen! Brrrhh! Saublöd! Er faltete die Hände auf dem Rücken und drehte mißmutig die zwanzigste Runde um den Wohnzimmertisch.
Onkel Donald begann zu überlegen, wo er noch ein paar Taler finden könnte.
Nicht für die Miete, das langte sowieso nicht, son­dern vielleicht was gegen Depressionen. In der Keks­büchse zweites Fach links oben. Küchenschrank? ln der Kommode unter dem Skipullover? Im Fuß der Nacht­tischlampe? Im Spülkasten vom Klo? ln der Chinavase, die ihm Daisy geschenkt hatte? Das rosa Sparschwein seiner drei Mündel Tick, Trick und Track platzte bald von all dem Zaster, den die drei Musterbuben sich wieder zusammengejobbt
hatten! Gerade wollte Onkel Dagobert ins Kinderzimmer hinüberschleichen, als die Tür aufflog und die Erpeldrillinge hereinstürmten.
„Onkel,“ riefen sie ganz aus dem Häuschen, „gib zu, du hast es nicht gewußt: Alle Stiefmütterchen sehen aus wie Karl Marx!“
„Wie? Was? Karl Marx? Wer ist das?“ fragte der Onkel. Die drei hievten das „Weltall des Wissens“, ihr voluminöses Pfadfinderhandbuch auf den Wohnzimmertisch: „Hier. lieber Onkel“. sagte Tick, „siehst du ein Bild von Karl Marx. Er war ein großer deutscher Denker und hat ein dickes Buch geschrieben, vor dem sogar Onkel Dagobert Respekt hat. Sieh mal, was für einen wilden Bart er hat! Und der Bart macht. daß er aussieht wie ein Stiefmütterchen, bzw. alle Stiefmütterchen aussehen wie Karl Marx!“

Ein Buch. vor dem sogar die mächtigste Ente der Welt Respekt hat?, sinnierte Donald, während er das Bild betrachtete. Tatsächlich, die Ähnlichkeit war da, ohne Zweifel.
„Wie heißt denn das Buch, Kinderchen?“ fragte er interes­siert. „Es heißt ‚Das Kapital‘“, sagte Tick.
„Und was steht da drin?“
„Da steht, daß das Kapital ein Vampir ist, der den Arbeitern das Blut aus den Adern saugt. Das Kapital ist tote Arbeit, die sich über die lebendige Arbeit hermacht, um sich an ihr zu mästen.“ sagte Trick.
„Die tote Arbeit, das sind die Maschinen und Apparate.“ erklärte Track, „die dem Fabrikherrn gehören. Mit ihnen pumpt er die Arbeiter aus, bis sie kaputtgehen und umfallen.“
„Das steht da drin?“ fragte Donald mit einem Funkeln in den Augen. Dann verriet er den Kindern seinen Plan.
Wow! Sie brachten ihm das Sparschwein. Freiwillig.
Am nächsten Tag, an dem bewußten Zweiten, klingelte es Sturm. „Donald, du Faulenzer. Nichtstuer. Tagedieb. Habenichts,“ schrie der Große Onkel – erwartungsgemäß­ schon an der Haustür, „Hast mal wieder die Miete nicht bezahlt! Du lebst vom Geld anderer Leute! Du Parasit! Und du wagst es, Dir noch Blumen zu kaufen, Luxus, überall Luxus, wohin ich sehe!“
„Ein paar Stiefmütterchen, lieber Onkel, beruhige dich doch!“ sagte Donald mit einem falschen Lächeln.
„Ein paar? Das nennst Du ein paar? Überall stehen diese Blumen herum, an den Fen­stern, auf dem Tisch, sogar im Vorgarten … hast Du am Ende schon wieder Geburtstag?“
„Nein, nein,“ sagte Donald. „Mir gefallen diese Blumen, denn sie haben … äh … Ähn­lichkeit mit einem gewissen … ähem … ähem …“
„Die Blumen? Ähnlichkeit mit wem, he?“ schnauzte der Onkel.
„Willst Du es wirklich wissen, Onkel Dagobert?“
„Selbstverständlich! Grundsätzlich! Immer! Alles Sofort!“ Da zündete Donald die Lunte:
„Mit einem gewissen Karl Marx.“
Der Große Onkel hatte noch nie eine lange Leitung: rraawumm! „Karl Marx!!??“ explodierte er wie eine Haubitze. Und alle Federn sträubten sich wie das Feil einer wütenden Katze.
„Ja, sieh doch.“ sagte Donald scheinheilig „diese große Ähnlichkeit.“
Und er schob dem Onkel das „Weltall des Wissens“ über den Tisch.

Onkel Dagobert erstarrte. Unglaublich! Die widerlichen Blümchen waren dem Systemveränderer wie aus dem Gesicht geschnitten! Dem Onkel schien es, als ginge von den Stiefmütterchen ein gewisser Geruch aus, vielmehr ein widerlicher Gestank. Ihm wurde übel und er sank wie geschmolzen auf dem Stuhl zusammen. Das Stöckchen Stöckchen war auf den Boden gefallen. Der Zylinder auch.
„Donald.“ keuchte der Großkapitalist. „was tust du mir an! Von sowas bekomme ich Herzweh!“
„Stiefmütterchen sind schöne Frühlingsblumen. Man sieht sie jetzt überall. Sie sind sogar winterfest“, entgegnete Donald.

Als der Große Onkel sich tatsächlich ans Herz faßte, bekam Donald fast ein schlechtes Gewissen, doch das hielt ihn nicht ab, seine neuen Kenntnisse einzuset­zen. „Du Vampir“, holte er aus. Dem eigenen Onkel mitten ins Gesicht, mitten rein.
„Urrrgh!“ fuhr der Onkel bei dieser ungeheuerlichen Bosheit auf. „Ich ein Vampir? Umgekehrt! Du saugst an mir.“
„Vampir!“ wiederholte Donald siegessicher.
„Selber Vampir!“ keifte der Onkel zurück und schlug mit dem Stock auf den Tisch.
„Wenn einer ein Vampir ist, dann Du! Du geborener Schmarotzer!“
Damit rauschte er ab, nicht ohne einen großen Bogen um die Stiefmütterchen im Vorgarten zu machen.
Onkel Donalds Einfall wurde von allen in der Siedlung ,Entenglück' nachgemacht.
Bis alle Stiefmütterchen verwelkt waren, ließ sich der Mietherr nicht mehr sehen, so sehr hatten ihn diese Blumen schockiert.
Wohlgemerkt: Bei Tage ließ er sich nicht sehen, nachts dagegen soll er in seinem Besitz herumgeschlichen sein, behauptete Fettbacke, der damals da noch wohnte und jetzt unter der Brücke Platte macht. Allerdings ist er nie ganz nüchtern. „Sagt mal, hat euer reicher Onkel solche Schlürfzähne am Schnabel?“ fragte er Tick, Trick und Track, als sie Roller fuhren.