Vom Wandel der Zeichen

Rollisex

Von Philosophiestudenten kann man Witz erwarten. Auch an empfindlicher Stelle. Das bekannte Zeichen, das auf den Weg für Rollstuhlfahrer hinweist - bisher ordentlich auf die Rampe zum Philosophikum in der Dantestraße gesprüht - haben sie so verdoppelt, daß der zweite Rollstuhl sich spiegelbildlich an den ersten fügt. So verschmelzen die beiden aneinander gegenübersitzenden Strichfiguren an den Oberschenkeln bis zum Schoß. Und darauf kommt es an. Aus einem Zeichen, das zur Rücksicht mahnt, ist ein Zeichen geworden, das etwas anderes verlangt: Sex. Doch: Auch Behinderte wollen Sex, falls jemand von uns sich das nicht vorstellen kann.
Die Veränderung allgemeingültiger Gebote und Verbote von der Art der Verkehrszeichen ist anspruchvoller als das Graffitisprayen. Der Sprayer glaubt an Ego-Power, wenn er den unverwechselbaren Schriftzug volle Dose an die S-Bahn zischen läßt. Er will fame. Wer dagegen offizielle Zeichen modifiziert, reitet sozusagen auf dem Allgemeinen. Er vermittelt sein Persönliches mit dem, was für alle gilt: ein sozialer Akt, wenn auch verboten.
Damit erreicht er nicht nur die Aufmerksamkeit, welche die Regel verlangt, sondern dazu das Erstaunen, vielleicht den Ärger, vielleicht das Vergnügen über die Abweichung von der Regel oder deren Verletzung. Kein fame, aber vielleicht ein Foto und einen kleinen Text in der FR.