Angelika Nollert

Rechte Hand mit Silberschmuck
Immer höflich, aber beharrlich: Angelika Nollert wechselt vom Frankfurter Portikus zur Kasseler Documenta

"Auch die rechte Hand geht," sagte einer. Das klingt der Sprache nach heikel, der Sache nach stimmt’s. Angelika Nollert, Kasper Königs Assistentin und Kuratorin von 18 Portikus-Ausstellungen, hat Frankfurt verlassen. Mit Markus Müller – freigestellter Pressesprecher des Westfälischen Landesmuseums in Münster – bildet sie nun den Kern von Okwui Enwezors Documenta-Team. Eine Riesenchance.
Kasper König wird immer wieder nachgesagt, er habe überall seine Hände im Spiel. Hat er Nollert nach Kassel gehievt? "Nein", sagt Angelika Nollert. Es war Markus Müller, jetzt Leiter der Kommunikation, der sie vorgeschlagen hat. "Sind Sie ehrgeizig?" "Ich glaube, eher nicht." Dabei stellt sie die Füße nach innen, wie manche Mädchen es tun. "Mich interessieren die Themen und die Leute, mit denen man zusammenkommt." Für diese Stelle hat die Kunsthistorikerin (Jahrgang 1966), die über Landschaftsmalerei promoviert hat und noch immer so eifrig spricht wie eine sehr gute Schülern, die sie wahrscheinlich einmal war, einen in Aussicht stehenden Museumsposten ausgeschlagen. "Das kann ich später immer noch machen."
Bei der Betreuung der Documenta-Künstler, die ihr obliegt, wird es um die Umsetzbarkeit der Projekte gehen. Dabei wird sie viele internationale Kontakte knüpfen und neue Erfahrungen machen können – wie schon bei dem berühmten Skulpturen-Projekt in Münster, an dem sie 1997 beteiligt war. Anschließend kam sie nach Frankfurt. "Ich habe mich hier immer pudelwohl gefühlt. Ich finde Frankfurt sehr schön." Frankfurt schön? "Doch, ich komme aus Duisburg."
Man stellt sich vor, mit dem machtbewussten Kasper König sei nicht immer gut Kirschen essen gewesen. Findet sie gar nicht. Wie sieht sie ihren Anteil an der Zusammenarbeit? "Kasper König hatte eine stringente Linie", sagt sie, "unabhängig vom Zeitgeist". Sie habe beim brain storming eine "Färbung" hineingebracht. So hats ie den Schriftsteller Christian Jankowski, der im Portikus öffentlich ein Buch geschrieben hat,  und die Performance-Künstlerin Elke Krystufek vorgeschlagen, die ihren nackten Körper malträtiert. Die Kataloge des Portikus’, das war ganz ihre Sache. Natürlich musste König sein Okay geben. Eine Situation, dass sie etwas hätte durchdrücken wollen, gab es nicht, sagt sie. "Das ist nicht meine Art. Ich versuche es immer höflich. Ich streite mich nicht. Aber ich wiederhole mich oft, wenn ich etwas durchsetzen möchte. Steter Tropfen..." Sie lacht. An ihren beredten Händen blitzt ausgefallener Silberschmuck. Aber gibt es nicht doch eine typische Situation, die das Verhältnis von König und seiner rechten Hand illustriert? Bei der Ausstellung von Krystufek lief eine dichte Reihe von Selbstportraits um alle vier Wände. König wollte beide Fenster offen halten. Nollert war dagegen: Das unterbreche die Reihe. König: "Ich bin hier der Chef." Es war dann aber nur ein Fenster, das offen blieb.
Keine Frage, Angelika Nollert hat ein kooperatives Naturell. Doch die Art, wie sie spricht, verrät Insistenz. Die Kooperation mit dem nigerianischen Documenta-Chef  sei anders als die mit König. Enwezor sei sehr offen und mitteilsam. Als Philosoph will er möglichst alles sprachlich expliziert haben. Das sei eine intellektuelle  Herausforderung. Kasper König habe ja nie viel geredet. "Aber ich verstehe Kasper König auch, wenn er etwas nicht sagt – nach so vielen Jahren."
Auf Angelika Nollerts Anregung hat sich ein Freundeskreis zur Unterstützung des Portikus gebildet, Banker, Juristen, Galeristen, Künstler. Denn die improvisierte Ausstellungshalle der Städelschule – ein nackter Container hinter dem Säulenportal des zerbombten Stadtarchivs – von König zu einem der renommiertesten Kunstorte der Republik gemacht, stand finanziell stets vor dem Aus. Der "Zirkel" sollte mit Ideen und Einfluss Wege finden, der avancierten Kunst diesen Ort zu erhalten. Angelika Nollert hat das organisiert. Man wird sehen, was ohne sie daraus wird.
Hat sie nicht doch Lust, einmal selber zu bestimmen, wo es lang geht? Später. Erst die Kasseler Riesenchance. "Aber ich traue mir das zu", sagt sie und setzt hinzu, als habe sie zuviel gesagt: "Oder erscheine ich Ihnen zu selbstbewusst?"

Frankfurter Rundschau vom 16.01.2001, S. 33, Ausgabe: R Region