Die Welt ist klein. Für die Grossen der Welt. In Leo Castellis Galerie trafen sich tutti frutti. Die New Yorker blieben bei der Meldung des „Wallstreet Journal“, die Walt Disney Company werde von einer Ente „übernommen“ werden, absolut cool. Na und? Durch eine „agressive Finanztransaktion“. Ist doch okay. Leute, die bei Castelli verkehren, sind keine Rassisten. Joseph Abs aber, dem reichs- und bundesdeutschen Mega-Bankier, wollte die Nachricht nicht in den Kopf, doch nahm er sich zusammen und brachte gegen seine Überzeugung und sein rheinländisches Naturell eine preussische Verbeugung zustande, als ihn Castelli einer Ente im Zylinder vorstellte. Der besagten Ente.
„Mr. Abs,“ sagte Castelli.
„Hi, Mr. Äbs,“ krächzte Onkel Dagobert, so freundlich es ging.
„Guten Abend, Mr. McDöck. Ich habe schon viel von Ihnen …“
„Deutsch?“ fragte Onkel Dagobert.
„Jawoll,“ antwortete Abs.
Dann stockte die Unterhaltung, denn Abs versuchte es bei Onkel Dagobert mit small talk. Doch die Grossen dieser Welt finden einander letztendlich faszinierend. Da sie alle in irgendeiner Form Superlativ sind, geniessensie das Gefühl exklusiver Gemeinsamkeit. Tatsächlich verkehren bei Castelli die tollsten Köpfe. (Linich, Jaqueline, Geldzahler, Malanga, J.F.K., Capote, Jane, Danto, Claes, Roy, J. Booster Bobo, Sennett, M.M., Andy und sein Tonband usw., usw.) Und sie lachen dauernd. „Sie sammeln auch?“ fragte Abs. „Yes,“ antwortete Onkel Dagobert, „Ich habe einen Lichtenstein gesammelt. Er hat mir meine Taler gemalt, aber leider nur eine …“ „Eine verschwindend kleine Menge Taler,“ meinte Abs, der wusste, wie Duck sich empört hatte, dass Milliarden Taler fehlten. „Verschwindend?“ fuhr Mr. McDuck aus dem Sessel. So schleppte sich das Gespräch von einem Missverständnis zum nächsten. Aber als die Herren sich gleichzeitig nach einem Nickel bückten, der aus Mr. Geldzahlers Hose gefallen war, kamen sie einander näher. „Wie ist das so, wenn Sie in Ihrem Tresor baden, Chairman Döck?“ fragte Abs in altdeutscher Betonung des Englischen.
„Wonderful!“ antwortete McDuck, „ein wahrer Jungbrunnen!„ (Abs fand Onkel Dagoberts Geldbäder „als Katholik“ befremdlich.)
„Wie fühlen Sie sich denn, Chairman Äbs, wenn Sie durch Ihr Kölner Museum gehen?“ konterte Onkel Dagobert. „Wie im Jungbrunnen,“ antwortete Abs mit Brio, „Wunderbar!“ „Look, Mr. Äbs,“ meinte MxcDuck, „J.F.K. badet in der Menge, ich bade in Talern und Sie baden in Kunst! Wir alle fühlen uns dabei ziemlich okay, finden Sie nicht?“ Abs war verblüfft. In solch ordinärer Sinnlichkeit hatte er die Sache nie gesehen. Sogar das Wort „Augenschmaus“ hatte er sich seinerzeit asketisch verbeten, als ein Vorstandskollege an lässlich des Erwerbs von Manets Spargelbild bemerkt hatte, das Gemälde sei „zum Fressen schön“. Nun: wenn Mr. Döck Talerbäder nahm, musste er, Abs, nicht auch ehrlicher mit sich sein? Joseph Abs musste sich eingestehen, dass ihm angesichts dieses Gemäldes immer wieder das Wasser im Munde zusammenlief. Kunstwissenschaftlich betrachtet war dieser Standpunkt reichlich, na ja, primitiv eben. Fest stand aber, dass diese amerikanische Ente noch primitiver war. Sie liess sich beim Baden sogar Geld „auf die Glatze prasseln“, hatte Abs von Insidern erfahren. „Herr Döck,“ eröffnete der Bankier launig die nächste Runde, „Ist es nicht so, dass Sie den Kapitalkreisläufen das Geld entziehen? Wie soll man es investieren, wenn Sie darin baden? Ist das vom Unternehmerischen Standpunkt gesehen nicht …?“
„Na und, Äbs. Auch Kunst ist Geld. Was ist Ihr Museum denn anderes als mein Tresor? Auch Sie entziehen den Kapitalkreisläufen das Geld und horten es, um …“ „Zugegeben, Herr Döck. Auch das Museum ist ein Ort der Schatzbildnerei. Aber wir springen doch nicht zwischen den Gemälden in der Badehose herum!“
Da kam zum Glück Castelli vorbei. „Wie finden Sie Marilyn, meine Herren?“ rief er fröhlich und zeigte auf sie.
Abs war aus dem Alter heraus und Onkel Dagobert ist eine Ente. Als der feinfühlige Galerist das Fettnäpfchen bemerkte, wollte er den Deutschen vor McDuck wenigstens etwas herausstreichen.
„1994 sass er in über 50 Aufsichtsräten!“ verkündete Castelli. Abs errötete, als wollte er sich schämen.
„Und jetzt?“ fragte Duck. „In 19 Aufsichtsräten,“ sagte Abs.
„Das sind über 30 weniger,“ stellte Mr. McDuck nüchtern fest.
Und „weniger“ war bei Onkel Dagobert in jedem Fall ein Werturteil. Castelli merkte, dass er wieder ins Fettnäpfchen getreten war. „Shit,“ dachte er und bog unverbindlich zur Kunst ab. Geschickt kam er auf das Spargelbild zu sprechen, das ja auf Absens Initiative hin angekauft worden war: „Sie wissen, meine Herren, dass Manet ausser dem Spargelbündel noch einen einzelnen Spargel gemalt hat?“ Abs nickte, denn er kannte das Bild natürlich. Es hing damals im Pariser Musee de l’Impressionisme.
„Charles Ephrussi,“ erklärte Castelli, „hatte Manet für das grosse Spargelbild vor Begeisterung 1000 anstatt der vereinbarten 800 Mäuse gezahlt. Doch Manet, der selber eine Menge Mäuse hatte, liess sich nicht lumpen, malte seinem Käufer noch einen Extra-Spargel und schenkte ihn Ephrussi (1880) mit den Worten: Es fehlte noch einer in Ihrem Bündel. Da waren sie quitt.“
„Und wieviel Spargel waren in dem Bündel?“ fragte der Onkel. Abs zögerte. So quantitativ hatte er das Gemälde nie gesehen. Aber sein Gedächtnis sagte ihm, dass es 26 Spargel sein mussten. „Warum hat dieser Manet dann nicht 5.200.- Mäuse verlangt?“ meinte der Onkel missbilligend. Abs warf Castelli einen alteuropäischen Blick zu.
Als die beiden grossen Finanzmänner Anstalten trafen, sich voneinander zu verabschieden, weil sie erst mal genug voneinander hatten, ging auf einmal bei Castelli das Licht aus. Im Geschrei der Damen hörte man J. Booster Bobos melodische Stimme, hiermit sei die Sexparty eröffnet. Aber Bobo war ein Showtyp und seine Ankündigung falsch. Tatsächlich handelte es sich um einen Überfall der Headhunter: Sie tauchten immer dort auf, wo sie die führenden Köpfe vermuteten. Insofern war jeder Besuch diskriminierend. Und dezimierend. Als das Licht wieder anging, musterten die verbliebenen Gäste einander. Wer war diesmal erste Sahne gewesen? Auf dem Boden lag ein konservativer Seidenschlips. Claes Oldenburg prägte ihn sich für später ein (Kunst). „Also, mein lieber Äbs ... ,“ begann Onkel Dagobert. Aber Herr Abs war verschwunden und wurde erst im Aufsichtsrat der Philipp Holzmann AG wieder gesichtet. Später kam heraus, dass die Headhunter den Finanzmann über die Feuerleiter des Hauses Nr. 422 verschleppt hatten. Sie stiessen ihn in ein superlanges Town-Car mit verdunkelten Fenstern und ab über den East River.