Grünes Licht für Montevideo. Eine Installation Mischa Kuballs in Uruguay
Licht ist erkennbar und bedeutsam als Zeichen, wenn Dunkelheit herrscht. „Illuminismo“, „la siecle des lumieres“, „enlightenment“, so lauten die Entsprechungen zum deutschen Begriff „Aufklärung“. Dunkel war für die Aufklärer die von Adel und Kirche dominierte Vorzeit, das finstere Mittelalter. Licht ist Sinnbild der Wahrheit. Hegel spricht von der Nacht des Vergessens. Das Unsichtbare - oder unsichtbar Gewordene, das Vergessene - sichtbar zu machen ist ein Anspruch moderner Kunst.
Solche Assoziationen stellen sich ein, wenn Mischa Kuball Licht als Zeichen einsetzt. Der Düsseldorfer Lichtkünstler, für den Licht ein Mittel ist, „Distanzen zu überwinden“, ein Kommunikationsmittel also, erregte große Aufmerksamkeit, als er 1994 die kleine Synagoge von Stommeln mit derart gleißendem Licht erfüllte, dass der Eindruck des Brennens, aber auch der hoffnungsvollen Anwesenheit Jahwes entstand, der sich durch Licht zu erkennen gibt (refraction house). Kuball hat 1998 auf der 24. Biennale von Sao Paulo als Vertreter Deutschlands in verschiedensten Haushalten der Stadt die Lampen aller Beteiligten, Armer und Reicher, gegen die gleiche Lichtquelle ausgetauscht und die „privaten“ Lampen in einer Ausstellung veröffentlicht. (Private light/Public light).
Kuball sucht aufklärerisch Sachverhalte zu erhellen, die Gefahr laufen, in die „Nacht des Vergessens“ zu sinken. So arbeitet er an symbolischen Orten: in einer Synagoge, in Weimar/Buchenwald und nun im alten Judenviertel Montevideos. Die soziale Bedeutung des Ortes wird Teil der Kunstbedeutung. Das Kunstwerk hat durch seine Unwiederholbarkeit die Aura des „Hier und Jetzt“, denn es handelt sich um nur vorübergehende Eingriffe in den öffentlichen Raum. Die Kunst verschwindet wieder und lebt mit der Erinnerung weiter, die sie beschworen hat.
Kommunikation/Kooperation, Ortsbezogenheit/Rückgewinnung des öffentlichen Raums und das Verschwinden sind allesamt Dimensionen eines sozialkritischen Kunstbegriffs in der Tradition von Beuys' „Sozialer Plastik“, der eine Autonomie des Kunstwerks negiert. Das Projekt greenlight in einem heute heruntergekommenen Viertel von Montevideo erinnert zunächst daran, dass die jüdischen Einwanderer wegen ihrer „grünen“ Unerfahrenheit von den schon Ortsansässigen auf jiddisch „grihne Leit“ genannt wurden. Kuball hat in der „Straße der Demokratie“ im heute nahezu verlassenen Barrio Goes an den Häusern grüne Baulampen installiert. In der christlichen Tradition ist es üblich, zum Gedenken Kerzen zu entzünden. Grün ist die Farbe der Hoffnung, signalisiert aber auch das Fortschreiten und die Bewegung. Nur andeutend ist an das Leben erinnert, das es hier nicht mehr gibt: Das Viertel war in Uruguay bekannt für seine multikulturelle und politische Lebendigkeit, denn die jüdischen Immigranten debattierten und tauschten Rezepte mit ihren italienischen und spanischen Nachbarn.
Anders als heute war die Straße der öffentliche Raum par excellence, der Raum für Streit und Verständigung, für Kommunikation. Es war „eine gesunde kulturelle Mischung“, schreibt Saul Gilvich, der dort geboren wurde. Kuballs einfache grüne Baulampen, die eine Baustelle vorstellen und damit die Hoffnung auf den Wiederaufbau der Erinnerung, verweisen auf ein großes Thema auch unserer Zeit: wie können die Fremden sich integrieren, ohne ihr Selbst aufzugeben? In Uruguay scheint das zeitweilig gelungen zu sein.
Greenlight ist „lesbar“ - wie sozial engagierte Kunst meist. Die Arbeit hat poetische Qualitäten. Kuball vertraut auf die Kraft der geschauten Metapher. Das Projekt ist in Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut realisiert worden und steht unter der Schirmherrschaft des Kultusministeriums von Uruguay und der Stadt Montevideo. Die Resonanz bei der Bevölkerung ist groß.