DASSELBE ANDERS / IMMER DASSELBE

CHARLOTTE POSENENSKE / PETER ROEHR

Die „schöne Monotonie“, worin zeigt sie sich denn in Peter Roehrs und Charlotte Posenenskes Arbeiten?
Nicht nur Roehrs Wandobjekte bestehen immer aus einer seriellen Anordnung gleicher Objekte – z.B. Radkappen, E­tiketten, Knöpfen, Werbefotos –, die Elemente eines G­an­zen bilden, sondern auch die in der Wiesbadener Ausstellung erlebbaren Text-, Ton- und Filmmontagen, die bisher entweder selten oder noch gar nicht zu sehen und zu hören waren. Ein entscheidender Aspekt der Serialität innerhalb eines Ganzen ist die Elementarisierung. Die E­lemente sind bei Roehr stets die gleichen, bei Posenenske gleich oder auch ungleich. In jedem Fall sind sie vorgefertigt. Bei allen Arbeiten Roehrs ist die Serialität von E­lementen eine Strategie gegen die Hierarchie der herkömmlichen Komposition, die den Künstler als souveränen Ordnungsstifter postuliert. Bei Roehrs Ton- und Filmmontagen fehlt jede Dramaturgie. Es gibt keine Gewichtung mehr, welche die einen Komponenten gegenüber den anderen hervorhebt und derart die Aufmerksamkeit des Betrachters dirigiert. Neben der Elementarisierung und der Serialität ist – was Posenenskes Arbeiten betrifft – auch die Variabilität eine Methode, die sich gegen die als autoritär empfundene hierar­chische Komposition in der Kunst richtet. (Ein von anderen Künstlern benutztes Verfahren ist die Monochromie. Auch hatte sich die gestisch-spontane Malerei des Informel schon gegen die Komposition gewandt.) Roehrs Arbeit – das gilt auch für alle seine Exponate in dieser Ausstellung – besteht nur noch in der Auswahl der anzuordnenden absolut glei­chen Objekte (1), in ihrer seriellen Montage – eine quasi mechanische Tätigkeit (2) – und in der Bestimmung des Endpunktes (3), der dann erreicht ist, wenn die Objekte zu Elementen mutieren, die sich zu einem Ganzen zusammenschließen, das damit mehr ist als die Summe s­einer Teile. Der Herstellungsprozess wird soweit wie möglich reduziert, die Montage verläuft standar­disiert, der tradi­tionelle Status des Künstlers als genialischer Schöpfer eigener, dem Anspruch nach autonomer Welten wird liquidiert. Der Herstellungsprozess besteht nur noch aus den genannten drei Schritten, d.h. nicht nur das fertige Objekt ist seriell angeordnet – es besteht aus einer Reihung gleicher Elemente –, sondern auch der Prozess der Montage verläuft seriell – eine festgelegte Folge von Handgriffen. Seriell ist also nicht nur das Produkt, sondern auch der Herstellungs­prozess. Was die Text-, Ton- und Filmmontagen betrifft, so verläuft der Prozess folgendermaßen: sooft wiederholt Roehr einen vorgefundenen Satz – ein Readymade – , bis er in der Wahrnehmung des Betrachters seine Bedeutung verliert und zum Element eines Ganzen mutiert. Sooft wiederholt Roehr einen Werbespruch aus dem Radio oder einen Werbespot aus dem Fernsehen, bis er in der Wahrnehmung des Hörers oder Zuschauers seine Bedeutung verliert und zum Element von etwas wird, das ganz neu und anders ist. Der Umschlagpunkt wird von den Hörern bzw. Zuschauern unterschiedlich erfahren und ist technisch objektiv nicht zu bestimmen, wohl aber intersubjektiv. (Intersubjektivität ist das oberste Objektivitätskriterium der Wissenschaften.) Es handelt sich dabei um eine Art Abstraktion. Sowohl Roehr als auch Posenenske arbeiteten programmatisch mit Elementen in Serien.
Beiden ging es um eine Objektivierung des Arbeitsprozesses, d.h. um eine weitestgehende Redu­zierung künstle­rischer Eingriffe. Roehr äußerte, die seriel­le Montage könne tendenziell auch von einer Maschine verrichtet werden. Kunst sollte im Prinzip ebenso mechanisiert hergestellt werden wie die Produkte einer Fabrik. Kreativ blieb bloß das Konzept. Posenenske und auch Roehr werden darum zu den Konzeptkünstlern gezählt.
In ihrem so genannten Manifest schrieb Posenenske: „Ich mache Serien, weil ich nicht Einzelstücke für Einzelne machen will.“ Bei ihren Reliefs und Vierkantrohren handelt es sich – anders als bei Roehr – um gleiche, aber auch unterschiedliche Elemente, die zusammen ein Ganzes bilden. Elemente sind gelbe, blaue, rote und schwarze Reliefs fünf unterschiedlicher Typen, die zu Triptychen, Paaren, Tableaus und Reihen kombiniert werden. Nicht nur gl­eiche, sondern nach Form und Farbe auch ungleiche Reliefs können zusammengestellt werden. Die unterschiedlichen Elemente der Vierkantrohre können zu den unterschiedlichsten Installationen verschraubt werden, die je nach Anzahl auch in der Größe variieren. Posenenskes Objekte werden seriell hergestellt – nämlich in der Fabrik. Wie bei vielen Konzeptkünstlern wird das rein Handwerkliche ausgelagert. Die künstlerischen Eingriffe werden so reduziert. Posenenske überantwortete die Kombination der Elemente anderen, d.h. die so genannte Werkvollendung gab sie an Kuratoren, Käufer oder das Publikum ab, welche die Installationen nach ihren eigenen Kriterien zusammenbauen sollen. Die volle Verantwortung für die ihnen überlassene Werkvollendung tragen darum die „Konsumenten“, wie sie die Mitwirkenden nannte, um zu betonen, dass ihre Kunst ein Produkt unter anderen sei. Sie meinte tätige Konsumenten, die sich, indem sie am Produktionsprozess praktisch teilnehmen, von der bloßen Betrachtung der Kunst emanzipieren. Charlotte Posenenske signierte ihre Arbeiten nicht mehr.
Auch Roehr suchte andere in seine Produktion einzubeziehen: Er trug sich mit der Idee einer Edition gleicher Teile, deren Zusammensetzung andere besorgen sollten. Im Unterschied zu Posenenskes Konzept, nach dem die an­deren den Zusammenbau nach eigenen Kriterien vorneh­men können, wollte Roehr die Montage nach Anweisung – also quasi-mechanisch – bewerkstelligen lassen. Bei ihm stand die Objektivierung, bei Posenenske die Partizipation im Vordergrund (die bloß eine andere, auf Konsens hinauslaufende Art der Objektivierung ist). Doch spielt der Aspekt der verantwortlichen Partizipation bei Roehrs Filmmontagen eine Rolle, allerdings ohne das demokratische Pathos, das Partizipation in Posenenskes Konzept hat: Er bat Freun­de, den Umschlagspunkt auszumitteln, an dem sich die Inhalte der Filmsequenz auflösen und zu Momenten einer abstrakten Struktur werden. Hier mussten die Mitspieler – wie beim Zusammenbau der Elemente von Charlottes Installationen – einen Konsens erzielen. Intersubjektivität war gefordert.
Dass Roehrs Objekte sich überhaupt voneinander unter­scheiden, liegt bei der stets gleichen Anordnung nur noch am ausgewählten Material – also etwa Etiketten, Preisschildern, Knöpfen, Werbefotos oder Wörtern. Dasselbe gilt für die Text-, Ton- und Filmmontagen. Posenenske dagegen setzt ihre Installationen aus den unterschiedlichen Elementen des Bausatzes zusammen, allerdings sind das immer nur dieselben vier (Serie DW aus Wellpappe) oder sechs (Serie D aus Stahlblech) Elemente des Systems. Darum habe ich die Ausstellungen von 2011 in Berlin „D­asselbe anders“, in Southampton „The same but different“ und in Paris: „Le même autrement“ genannt. Dass sich die Installa­tionen voneinander unterscheiden, liegt hier also an der Anzahl und der Unterschiedlichkeit der Elemente in einer Installation. Eine wichtige Differenz z­wischen den Arbeiten der beiden besteht darin, dass Roehr seine Produkte als ein f­ertiges Ganzes auffasst, während Posenenskes Installationen – anders als die herkömmliche Skulptur – variabel und fortsetzbar sind. Sie werden umgebaut. Eine Installa­tion ist zwar, so wie sie in der Ausstellung steht oder hängt, auch ein Ganzes, doch bloß vorübergehend. Tatsächlich sind die Installationen, besonders der Vierkantrohre, pro­zessual angelegt als Stationen und Phasen eines unend­lichen, sowohl rä­umlichen als auch zeitlichen Prozesses, d.h. einer Bewegung – eine Dimension, welche bereits in Posenenskes frühen Bildern nachweisbar ist. (Zum Aspekt der Bewegung, die in Posenenskes Werk mit dem aus zwei mobilen Wänden bestehenden „Raumteilers“ kulminiert, läuft eine Videoarbeit von Martina Wolf aus dem Jahr 2011 über Posenenskes Drehflügelobjekte im Begleitprogramm der Ausstellung.) Die besagte Fortsetzbarkeit ist zugleich eine Form der Veränderbarkeit, ein Aspekt, den Pose­nenske besonders betonte, als sie ihre Vierkantrohre aus Well­pappe in einer Art Performance von anderen fortwährend umbauen ließ. (Die Variabilität ist eine Gemeinsamkeit mit Michael Reiters „Swinging Geometry” von 2007, eine Performance, welche im Begleitprogramm vorgeführt wird.) Den Aspekt der Veränderbarkeit führt die Künstlerin bei den so genannten Drehflügelobjekten weiter, deren türartige Flächen vom Publikum nach Gutdünken bewegt werden können. Zwischen Auffaltung und Geschlossenheit sind viele Varianten möglich.
Bewegung spielt auch bei Roehrs Arbeiten eine Rolle, doch bei den Wandobjekten nicht tatsächlich, sondern nur als Implikat der Wiederholung. Irrelevant ist hier selbstverständ­lich die Bewegung, welche ein Element der Filmmontage als inhaltlichen Sachverhalt selber mitbringt. Mich interes­siert Bewegung hier nur, soweit sie Be­standteil der künst­lerischen Methode ist. Bei Roehrs Film- und Tonmon­tagen stellt sich Bewegung nun tatsächlich als mono­tone, undramatische Abfolge – als Wieder­holung – derselben gesprochenen Texte oder derselben Film­sequenzen dar. Zeit wird ausdrücklich eine Dimension seiner Kunst. Das erinnert an den Beat in der Popmusik. Leider können wir in unserer Ausstellung die beiden großartigen Arbeiten Roehrs nicht zeigen, die auch bei seinen Wandobjekten eine explizitere Tendenz zur Bewegung belegen, die gleichwohl nicht tatsächlich wird: Eine seiner letzten Arbeiten besteht aus einer progredie­renden Reihe sechs gleicher, aber durch ihr Format unterschiedener Tafeln, die mit dem kleinsten Format beginnt („Rot-silberne Progression“). Es entsteht der Eindruck des Anwachsens, sodass auch bei Roehr das Ganze der Installation sich in ihre mögliche Fortsetzung aufzulösen scheint, wobei allerdings die einzelnen Tafeln als abgeschlossene Ganzheiten bestehen bleiben. Die Tafeln fungieren nun als Teile einer fortsetzbaren Reihe. Das G­leiche gilt für die Reihe der zehn absolut gleichen „Schwarzen Tafeln“, in der Roehr das Prinzip der Wiederholung sogar auf die Präsentation überträgt. Bewegung als Fortsetzbarkeit ist bei ihm aller­dings ein Aspekt nur dieser beiden letzten Arbeiten. Darüber hinaus interessierte sich auch Roehr für pro­zesshafte Kunst im öffentlichen Raum. Doch wurde das so genannte „Freiburger Projekt“, eine vorübergehende Montage von Baumateria­lien im Stadtgebiet, nicht realisiert.
Zwar beanspruchen beide Künstler für ihre Arbeiten Selbst­bezüglichkeit – Posenenske schrieb in ihrem Manifest: „Meine Arbeiten sollen nichts anderes darstellen als sie sind“, um der Zuweisung symbolischer Bedeutungen vorzubeugen, ihre Welthaltigkeit aber ist unüberseh­bar. Bei Roehr ist Welthaltigkeit durch die Alltagsobjekte gegeben, die er zusammen mit Posenenske in Warenhäusern aussuchte, um sie als Elemente zu verwenden. Ein Knopf bleibt auch als Teil eines Kunstwerks ein Knopf – eine Doppel­kodierung, mit der schon Duchamp spielte, als er das U­rinoir in die Galerie setzte. Die Fotos und Werbespots, die ein Stück Welt narrativ abbilden, verlieren als Teile einer seriellen Montage genau dann ihre Welthaltigkeit, wenn die Montage den Umschlagpunkt erreicht, an dem die Teile zu E­lementen eines Ganzen werden. Das glückt – weil ab­hängig von der unterschiedlichen subjektiven Wahrnehmung – nicht immer, und es gleicht, wenn es gelingt, einem chemischen Prozess. Durch bloße Wiederholung der Teile ent­stehen in der Wahrnehmung neue, bei den Fotos oft diagonale Strukturen. Die Diagonale aber indiziert spätes­tens seit dem Barock eine Bewegung, insofern sie die fundamen­tale Statik von horizontaler und vertikaler Anordnung durchbricht. Mit dem Verlust der Welthaltigkeit löst sich auch die illusionäre Räumlichkeit der Fotos und Filmsequenzen zunehmend auf und es entsteht eine ab­strakte Struktur in der Fläche. (Dieser Wahrnehmungs­effekt erinnert an die Gemälde der Impressionisten, die, aus der Nähe betrachtet, aus einzelnen Farbtupfern bestehen, die sich erst aus einer gewissen Entfernung zu einem Bild zusammensetzen.) Bei Roehr erlebt der Betrachter einen Abstraktionsprozess, der in der Wahrnehmung stattfindet, wenn die montierten Einzel­teile auf einmal ihre Welthaltigkeit abschütteln und zu abstrakten Elementen eines strukturierten Ganzen werden. Es scheint mir legitim, auch die Mutation der Readymades – seien es Fotos, Filmsequenzen, Werbeslogans oder Texte – zu Elementen einer rein ästhetischen Struktur als eine Veränderung aufzufassen, mithin als eine Bewegung in der Wahrnehmung.
Posenenskes Vierkantrohre erinnern durch die Art des Materials an die Arbeitswelt: Bei der Wellpappe handelt es sich um gewöhnliches Verpackungsmaterial, das verzinkte Stahlblech erinnert an die Umgebung einer Werkstatt – und tatsächlich werden die Vierkantrohre ja oft mit Entlüftungs­anlagen in Industriegebäuden verwechselt. Darüber hinaus erinnern Elementarisierung und Wiederholung im Werk beider Künstler an repetitive Arbeits­ab­läufe der industriellen Fertigung, und höchst wahrscheinlich ist, dass es ohne die Industriearbeit Serialität in der Kunst gar nicht gäbe. Ich erinnere noch einmal an den Beat, der zur selben Zeit, als Posenenske und Roehr arbeiteten, sich in der Popmusik endgültig durchsetzte. Gewiss hat auch die als „Konsum­terror“ kritisierte stete Wiederholung in der Werbung nach dem Prinzip „steter Tropfen höhlt den Stein” Roehrs Konzept beeinflusst.

Die Gemeinsamkeiten der äußerlich so unterschied­lichen Arbeiten der beiden Künstler bestehen also in der Elemen­ta­risierung, in der Serialität, in der weitgehenden Redu­zierung der kreativen Eingriffe/alias Objektivierung, in der Bewegung/Veränderung, in der Fortsetzbarkeit, in der Pro­zesshaftigkeit, in der Einbeziehung Anderer in die Produk­tion, in der Affinität zur Industriearbeit und schließlich im
Ausstieg aus der Kunst. Dass Charlotte Posenenske 1968 am Anfang einer steilen Karriere der Kunst den Rücken kehrte, wird heute nicht nur als individualhistorischer, sondern als künst­lerischer Akt diskutiert, doch dass Peter Roehr denselben Entschluss gefasst hatte, wissen wenige. Es war eine Ver­abredung zwischen den beiden Freunden. Roehrs früher Tod kam der Realisierung zuvor. In beiden Fällen war ihre Kunst an ein Ende gelangt. Sie hatten ihr Programm erfüllt: Posenenskes letztes, nur als Konzept hinterlassenes Projekt sind die beiden oben erwähnten mobilen Wände (der so genannte „Raum­teiler“) die sich vor einer Raumecke zu einem Kubus zusammenschließen lassen – die letzte Konse­quenz der Drehflügelobjekte. Die Künstlerin war damit – auf ihrem Weg vom konstruierten, illusio­nären Raum des Tafelbildes zum Realraum der Architek­tur – im Alltag angelangt und hörte auf. Peter Roehr war mit den „Schwarzen Tafeln“ – identischen Tafeln aus identischen Elementen – ebenfalls an einem Endpunkt angekommen. In beiden Fällen handelt es sich um eine reflektierte Abrechnung mit dem Status des herkömm­lichen Künstlers, dessen Werke durch die Aura der Originali­tät und der Einzigartigkeit einen Markt bedienen, auf dem das Unikat zu einer tendenziell hochpreisigen, exklusiven Ware wird. Gemeinsam ist beiden Künstlern ihre kritische Haltung gegenüber dem Kommerz. So nahmen beide an der legendären, von Paul Maenz 1968 in Frankfurt orga­ni­sier­ten Veranstaltung teil, die unter dem ironischen Motto: „Dies alles, Herzchen, wird einmal dir gehören“ vergäng­liche Situationen vorführte, indem die eingeladenen Künstler mit Materialien arbeiteten – Eis, Luft, Sägemehl, Pappe –, von denen nichts übrigblieb. Es ging nicht um schöne Objekte als Resultat eines verborgenen kreativen Verfahrens, sondern um transparente Pr­ozesse. Nichts konnte das „Herzchen“ nach Hause tragen, um es in den Salon zu hängen. Posenenske verschärfte ihre kommerzkritische Haltung, indem sie ihre Objekte nicht in limi­tierten Auflagen, sondern unlimitiert produ­zieren und dazu zum Selbstkostenpreis verkaufen ließ – eine in ihreEin­fachheit sehr elegante subversive Strategie, die sowohl einen Profit als auch eine Wertsteigerung aus­schließt. Das aber schreckt potenzielle Sammler ab, die sich nicht mit der Materiali­sierung eines Konzepts begnügen, die man mit anderen teilen muss, sondern nach einem Original verlangen, dessen Besitz ihnen einen exklusiven Kunstgenuss bietet.

Ein Gebot kuratorischer Fairness ist es, zwischen den Exponaten ein Gleichgewicht herzustellen, sodass die Arbeiten des einen Künstlers die des anderen nicht dominieren. Posenenskes Arbeiten sind optisch fraglos raum­füllend. Doch Roehrs Tonmontagen und Filmmontagen sind das akustisch und kinetisch nicht minder. Posenenskes r­iesige, an der Decke hängende Gebilde von einer akustischen Wolke sich wiederholender Sätze umschweben zu lassen, ist eine neue und, wie ich finde, poetische Erfahrung – und dennoch, was Roehr betrifft, immer dasselbe.
Die Möglichkeit der Hängung – und damit der tenden­ziell allseitigen Sichtbarkeit – hat Posenenske, belegt durch diverse Briefe, noch selber vorgesehen. Ich habe das zuerst 1989 im Frankfurter Hauptbahnhof, dann 2002 bei der Wiener Generali Foundation und zum dritten Mal 2007 auf der documenta 12 realisiert und zum vierten Mal nun in Wiesbaden 2012. In der Wiesbadener Ausstellung bilden die Vierkantrohre aus Stahlblech eine raumbe­zogene Installation, die den Übergang von der Horizontalen (Fuß­boden) in die Vertikale (Wand) akzentuiert. Zur Betonung des Seriellen werden vier Rekonstruktionen des kleinen Drehflügels ausgestellt. Die Reliefs, die zuvor meist in Abständen installiert wurden, die sie als Elemente b­etonen, sind in der Wiesbadener Ausstellung fugenlos zusammengerückt. Dasselbe anders.