Eierhandgranaten in Sirup. Arbeiten von Jorge Rodriguez Aguilar in Freiburg
30 Jahre Bürgerkrieg zwischen Drogenmafia, Guerilla und Regierung im Hinterhof der Weltmacht: Das genügt zur Normalisierung brutalster Gewalt. Gewalt findet in Kolumbien überall, nicht dann und wann, sondern immer statt. In der Kunst ist Gewalt zum großen Thema geworden. Verglichen mit Bruce Naumans schaurigen Metaphern oder Cindy Shermans manieristischen Horrorszenarien kommt der kolumbianische Künstler Jorge Rodriguez Aguilar sarkastisch zur Sache. 1997 war der 39-jährige Künstler durch eine Installation „De la lesna al changon – el pan nuestro de cada dia“ (Vom Messer bis zur Knarre – unser täglich Brot) im Berliner Haus der Kulturen aufgefallen, die im folgenden Jahr als „one man show“ der Galerie Ruta Correa auf der Art Frankfurt zu sehen war.
Die Freiburger Galerie zeigt nun die Installation in Form eines ärmlichen kolumbianischen Gemischtwarenladens in ihren Räumen. Hinter der Ladentheke hängen Schusswaffen aller Art, allerdings handelt es sich um „hausgemachte“ Waffen. Waffen sind Lebensmittel, heißt das, Mittel zum Überleben. Das Bedenkliche und Erschütternde daran ist, dass sich die Kreativität eines Volkes aufs Ersinnen von Mordwerkzeug kapriziert. Der Künstler hat die Waffen nachgebaut. In Sirup eingelegte Eierhandgranten; in Weckgläsern aufbewahrt werden sonst nur gute Dinge, Früchte, die man sich aufhebt für Zeiten, in denen es sie nicht gibt. Süße Granaten sind gute Granaten (Bonbons), die man seinen Freunden anbietet: den falschen Freunden, damit sie krepieren. Neben einer „Wachiman“-Mütze, der Kopfbedeckung eines Aufsehers in der Plantage oder dem Gefängnis, ein volksempfängerähnliches Radio: heiße Rhythmen, aber die Texte handeln von vergessenen Leichen am Straßenrand.
Von makabrer Poesie ist der Vogelkäfig in Form eines Maschinengewehrs, als Insasse ein hölzernes Singvögelchen: Gesang und Gewalt sind zu einer Metapher verquickt. Doch das Objekt hat sich ein hartnäckiger Sammler aus der Installation herausgekauft. Einfach ist das Symbol der waffenförmigen Kuschelkissen: man hat es sich im Morden gemütlich gemacht. Die in anderen Vogelkäfigen inhaftierten Plastikpistolen und Schleudern haben die Singvögel ersetzt. Nun sitzen die Killer, so die hoffnungsvolle Lesart. Die schlimme Lesart: die Singvögel sind zu Waffen mutiert.
Alles verwandelt sich in Gewalt. Doch die Zwillen in Freiheit sind durch kleine Schlösser unbrauchbar gemacht. So auch alle Feuerwaffen: mit einem Maulkorb, einem Lippenstift, einem Schnuller, einem Glöckchen. Das erinnert an die portugiesische Nelkenrevolution, in der die Mädchen die Gewehrläufe der Regierungssoldaten mit Blumen verstopften. Kann Gegengewalt im Ernst so harmlos sein? In einem großen Glas: Schokoladenrevolver. Im Regal ein Flaschenöffner als Pistole. Drückt man ab, fährt ein Kerl sein Ding in den Hintern einer Frau, die das „Tier mit vier Füßen“ macht. Wer als Kind süße Pistolen lutscht, wird sein Geschlechtsteil leicht als Schießprügel verwenden.
Der Künstler arbeitet inzwischen in Brasilien. In Kolumbien hat er es nicht mehr ausgehalten. An internationalen Standards gemessen, mag seine Kunst in ihrer bittersüßen, bunten Verspieltheit und komischen Aggressivität abseitig, provinziell wirken. Das Gemisch von agitativer Direktheit und Hintersinn ist ungewohnt. Für sich genommen, mögen einige Objekte weniger überzeugen, doch das Ganze erinnert an die frühen Berichte vom ungebrochenen Mut der Indios, die ihre Feinde noch im Angesicht des Todes mit Hohn übergossen.
Galerie Ruta Correa, Freiburg, Goethestraße 3. Bis 14. 1.2000.