Galerie Thomas Rehbein, Köln
6. September – 18. Oktober 2014
Kirstin Arndt
Janet Passehl
Charlotte Posenenske
Michael Reiter
Ausstellungsansicht. Michael Reiter, Kirstin Arndt. Galerie Thomas Rehbein, Köln. 2014
Über SCHWARZ: Als Kasimir Malewitsch 1913 das berühmte Schwarze Quadrat malte, wollte er die Malerei von der Aufgabe befreien, die Welt abzubilden. Gegenstandslosigkeit in der Malerei war sein erklärtes Ziel. Es war der Anfang der so genannten abstrakten Kunst, welche die Autonomie des Kunstwerks postuliert und damit die Abbildung der Welt zunichte macht. Die Schwarzweißfotografie und der Schwarzweißfilm abstrahieren von allen Lokal-farben, welche die Besonderheit und situationsbedingte Lebendigkeit eines Gegenstands, eines Körpers, einer Landschaft oder einer Atmosphäre ausmachen, alles wirkt – wir haben uns längst daran gewöhnt – unwirklich, weil abstrakt. Farbige Fotos dagegen gelten als authentisch. Familienbilder sind heute farbig. Die schwarzen Linien der Graphik abstrahieren von den Farben. Die Aufgabe der Zeichnung war zunächst, einen Gegenstand durch seine Kontur von der Umwelt abzugrenzen, d.h. ihn zu identifizieren. Die Strichelung der Radierung arbeitete den Körper des Gegenstands heraus. Insoweit erfasst die Graphik das praktisch Wichtige eines Körpers: Umriss, Größe, Umfang. Abstrahiert wird von dessen Farbigkeit, mithin von seiner Besonderheit. Der zur Goethezeit berühmte Physiognomiker Lavater löste die Mode des Scherenschnitts aus, der um Unterschied zur en face-Darstellung im schwarzen Schattenriss stets das Profil als das Unveränderliche, das Konstante eines Gesichts festhält. Schwarz reduziert damit die Komplexität. Schwarz ist ein Mittel zur Reduktion, zur Abstraktion, zur Konzentration und insofern minimalistisch. Bevor Vermeer die Kontur als eine perspektivische Schichtung von Farbe erkannte, die sich als dunkle, tendenziell schwarze Linie darstellt, galt auch der Schatten mehr oder weniger als schwarz. Als Schattierung macht schwarz die Körperhaftigkeit eines Gegenstands erkennbar. Schwarz intensiviert die Höhlung eines Körpers. Aus der Erfahrung, dass der Schatten die Lokalfarben überlagert und die Sicht ganz auslöscht, wenn er zur Nacht wird, leitet sich vermutlich die Vorstellung ab, dass Hades – die altgriechische Unterwelt – dunkel sei, das so genannte Schattenreich. Dunkelheit wird daher mit Tod assoziiert. Als Gegenteil von hell wird schwarz negativ. Mit dem nicht abzuschüttelnden Schatten tragen wir stets das Zeichen des Todes mit uns herum. Der Schatten ist ein memento mori, wird aber, auch weil er ein – gegenüber der Dinglichkeit – sekundäres, abgeleitetes Phänomen ist, im praktischen Leben nicht weiter beachtet. Damit zusammenhängt, dass in der abendländischen Kultur schwarz die Farbe der Trauer ist. Schwarz ist die Nacht, in der alles verschwindet. Ausdrücke wie Schwarzhandel, Schwarzarbeit, Schwarze Kasse besagen, dass etwas Verbotenes im Dunkeln, im Verborgenen geschieht. Die Redensart Ich sehe schwarz drückt die Ansicht aus, dass etwas nicht geht. Schwarz ist hier ein Ausdruck für das Nichts. Diese nihilistische Dimension trägt schwarz schon als Abstraktion in sich. Die Tendenz zum Nichts und zum Allgemeinen macht schwarz ambivalent. Burkhard Brunn