Reduzieren als Verdichtung

Galerie Mathias Güntner. Hamburg

1. Juni – 24. Juli 2017

Kirstin Arndt
Cécile Dupaquier
Henrik Eiben
Charlotte Posenenske
Michael Reiter
Rob Scholte

Ausstellungsansicht. Kirstin Arndt, Rob Scholte. Galerie Mathias Güntner. Hamburg. 2017

 

Reduzieren als Verdichtung Das Reduzieren ist eine alltägliche Operation. Es ist uns aus Wirtschaft und Technik, aber auch aus Sprechhandlungen geläufig. Mit wenigen Worten alles zu sagen – ein Ideal schon der antiken Lakonier- ist das Gegenteil des ausufernden Schwatzens. Unsere Welt ist überkomplex und unüberschaubar. Die „Reduktion von Komplexität“, ursprünglich ein Begriff aus der Systemtheorie, ist das, was wir täglich tun müssen, um handlungsfähig zu sein. Wir gewichten. Das heißt, spontan oder kalkuliert treffen wir Entscheidungen auf Basis nur weniger – für uns wichtiger- Variablen. Details filtern wir aus. Das Reduzieren führt zur Verdichtung. Mit anderen Worten: „Less is more“.
Im Prado, Madrid, hängt ein kleines, querformatiges Gemälde von Tizian: zu sehen ist ein diagonal gelegtes Kreuz, in der oberen linken Ecke der Kopf des Joseph von Aremathia, unter dem Kreuz das Gesicht Jesu und seine Hand, die das Kreuz trägt. Und Christus schaut dir direkt ins Gesicht, man fühlt sich betroffen, würde am liebsten hinlaufen und helfen. Nichts sonst gibt es auf dem Bild: keinen Hintergrund, d.h. keinen Himmel, keinen Baum, keinen Vogel. Es gibt keine ablenkenden Details, die es gewöhnlich ermöglichen, sich ein Stück weit zu entziehen. Kein Ausweg. Es ist diese Konzentration auf das wenige Wichtige, die eine so eindringliche Wirkung erzeugt. Das wenige Wichtige zeigt auch Pieter Claesz‘ berühmtes Stillleben in Rotterdam: nur einen Hering, einen Glasbecher Bier und ein Stück Brot - im 17. Jahrhundert die Grundnahrungsmittel der Niederländer.
Die 7. Ausstellung zum Thema „Reduktion“ (die erste in Berlin, die zweite in Köln, die dritte in Frankfurt am Main, die vierte in Antwerpen, die fünfte in Berlin, die sechste in Bonn) zeigt Reduktionen unterschiedlicher Art. Rob Scholte dreht die von holländischen
Hausfrauen nach Motiven von Vermeer gefertigten Stickbilder herum, signiert sie und stellt sie aus. Auswählen, herumdrehen, signieren, ausstellen – ganz so wie Duchamp 1917 mit seinem Urinoir verfuhr. Die Arbeitsmethode besteht aus nur vier Schritten. Charlotte Posenenskes (1930-1985) Wandarbeit besteht aus einem grauen Rechteck, das mittels einer einzigen diagonalen Faltung (1966) aus der Fläche in den Raum ragt. Kirstin Arndt zeigt 4 gleiche, einfache Stahlblechwinkel, aufrecht stehend und weiß, von Licht und zartem Schatten umspielt. Michael Reiters „jolly trellis“ mutet entmaterialisiert an: dünne, mit einem Nylonfaden verbundene, geometrisch angeordnete, bewegliche Röhrchen. Cécile Dupaquiers weiße „Tableaus“ heben sich nur durch kaum merkliche lange, flache Wölbungen von der weißen Wand ab, in der sie zu verschwinden scheinen. Henrik Eibens Reliefs dagegen sind auf Grund der Abteilisierung, der Verwendung unterschiedlicher Materialien, der Zerklüftung der Oberfläche und der Mehrfarbigkeit recht komplex. Reduziert erscheinen sie durch eine gewisse Strenge. Burkhard Brunn

MReiter_JollyTrellis_MathiasGünthner_Hamburg_2017_V-1

Michael Reiter
JOLLY TRELLIS
2014
Carbon
2 x 2 m, Format Variabel

CDupaquier_2Reliefs

Cécile Dupaquier
Tableau n°2
(weiß-weiß, 2-teilig)
2017
Sperrholz 3mm, Mineralfarbe
100 x 101 x 5 cm

CDupaquier_Relief

Cécile Dupaquier
Tableau n°1
(weiß, 1-teilig)
2017
Sperrholz 3mm, Mineralfarbe
50 x 101 x 5 cm

ChPosenenske_Vierkantrohre_MathiasGünthner_Hamburg_2017

Charlotte Posenenske
Vierkantrohre Serie D
1967/2017
Galerie Mathias Güntner

KirstinArndt_ohneTitel_MathiasGünthner_Hamburg_2017.

Kirstin Arndt
ohne Titel
2013
PVC-Plane (beige)
2 Messingösen
1 Messing-Drehverschluss
ca. 60 x 75 x 20 cm

HEiben_Relief

Henrik Eiben
2015
Relief

RScholte_Nachtwacht_MathiasGünthner_Hamburg_2017

Rob Scholte
Nachtwache
2007
Stickerei
41 x 75 cm

HEiben_Relief_ExhView_MathiasGünthner_Hamburg_2017

Henrik Eiben
Relief

ExibitionView_MathiasGünthner_Hamburg_2017_05

Michael Reiter
Agile Squares
2016
Holz, Farbe
100 x 100 x 2 x 1 cm
Rob Scholte
Stickereien