Galerie Martina Detterer, Frankfurt am Main
24. Januar – 7. März 2015
Kirstin Arndt
Charlotte Posenenske
Michael Reiter
Martina Wolf
Ausstellungsansicht. Charlotte Posenenske, Michael Reiter. Galerie Martina Detterer. Frankfurt am Main. 2015
Nur das. Varianten des Minimalismus Gemeinsam ist den ausgestellten Arbeiten, dass sie mit wenig auskommen. Sie stehen in der langen Tradition des europäischen Minimalismus, der im antiken Lakonien begann, wo die Spartaner sich rühmten, – im Gegensatz zur blumigen Redeweise der orientalischen Nachbarn – das Wichtige mit wenigen Worten zu sagen. Daher der Ausdruck lakonisch. Wenig assoziiert man mit Armut, aber auch mit Sparsamkeit – als einer bewussten, vom Mangel emanzipierten ökonomischen Haltung, die auf dem Terrain der Kunst und Kultur zu einer ästhetischen Strategie wird, die der Askese verwandt ist. Ziel dieser Orientierung ist, mit geringstem Mitteleinsatz das Beste zu erreichen. Sparsamkeit – der möglichst geringe Verbrauch von Raum, Zeit, Material, Energie und Arbeitskraft – kennzeichnet die frühbürgerliche Produktionsperspektive im Gegensatz zur feudalistischen Verschwendung. Deren Zweck war die großartige Präsentation von Reichtum als gesellschaftliche Potenz. Diese Strategie der Überwältigung verfolgte in der Gegenreformation auch die katholische Kirche, um die Zweifelnden durch die totale Einbeziehung aller Sinne für den Glauben zurückzugewinnen. Im Barock wurde dem Publikum vieles geboten – und das gleichzeitig. Es entsteht als Gesamtkunstwerk die Oper. Der Gegensatz zwischen dem bürgerlichen wenig und dem feudalistischen viel zeigt sich gut in der niederländischen Stillebenmalerei des 17. Jahrhunderts. Als Beispiele der am Feudalismus orientierten, eher katholischen Ausprägung stehen die Gemälde des Antwerpener Malers Frans Snyders, auf denen eine Fülle an Wildbret, Geflügel, Meeresgetier, Obst und Gemüse dekorativ inszeniert ist; ein Vertreter der bürgerlichen, eher protestantischen Richtung ist der Haarlemer Meister Pieter Claesz, auf dessen Bildern nur wenige Gegenstände zu sehen sind, im extremen Fall nur ein Hering, ein Brot und ein Glas Bier. Aus der Beschränkung auf Weniges spricht die selbstbewusste Überzeugung, dass das Gebotene ausreicht. Dadurch erhält jeder der Gegenstände und jede Beziehung zwischen ihnen Gewicht. Alles ist wichtig. Der Betrachter ist gehalten, sich nachdenklich in das Wenige zu vertiefen. Die repräsentativen Gemälde von Frans Snyders hingegen reichen über das Dekorative selten hinaus. Die Beschränkung auf das Wenige und Wichtige, der Minimalismus, setzt sich später in Deutschland im schlichten Design des Biedermeier fort und mündet in die, auf jedes Dekor verzichtende Architektur der radikalen Moderne. Die für das Barock typische, auf der Fülle basierende Strategie der emotionalen Überwältigung lässt sich auch heute in den umfänglichen Rauminstallationen vieler Künstler wiedererkennen. Hat die exzessive Ausdehnung der kapitalistischen Akkumulation und der ihr entsprechende Konsum – personalisiert in der Gier nach dem Immermehr – erst alle Lebensbereiche durchdrungen, kann die Beschränkung auf Weniges zu einer Alternative werden – und übrigens möglicherweise sogar subversiv wirken – als – selbstbewusster – Verzicht. Burkhard Brunn