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Little Big City (11): Monuments

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Published in: Frankfurter Rundschau


 
Geld und Geist

Dass sie dem größten Sohn von Little Big City auf den Kopf machen, kann man den dummen Tieren nicht vorwerfen. Sie wissen nicht, wer Goethe ist. Das Denkmal – vormals auf dem Goetheplatz – steht abseits, an der Gallusanlage, und schön ist es nicht. Wie alle Großstädte hat auch Little Big City seine Denkmäler. Sie wurden entweder gestiftet oder von der Kommune selber finanziert.
Im 19. Jahrhundert gab es keinen Platz, in dessen Mitte nicht eine bedeutende Persönlichkeit in Stein gemeißelt oder in Bronze gegossen auf einem Sockel stand. Auf dem Platz stand und steht sie, weil dieser noch immer Symbol der städtischen Öffentlichkeit ist – obgleich die moderne Öffentlichkeit – von großen Demonstrationen abgesehen – längst bloß noch medienvermittelt ist. Meist ist das Denkmal einem großen Mann gewidmet, der in der jeweiligen Stadt geboren ist oder wenigstens in ihr gewirkt hat und hier nach seinem Tode verewigt wird. War der große Mann ein Feldherr, sitzt er zu Pferde. Und steht dazu noch auf dem Sockel. Denn der garantiert, dass der Bürger zum Höheren aufschauen muss – wie in Hannover zu Ernst August auf dem Pferd, der dort zu einem Treffpunkt geworden ist. Man sagt da: "Wir treffen uns um drei bei Ernst August unterm Schwanz."
Ein Denkmal ist ein Mal, das heißt ein Zeichen des Gedenkens, der nachdenklichen Erinnerung an eine wichtige Person und ihr Wirken. "Monument" formuliert darüber hinaus einen normativen Anspruch: denn ein "Mahnmal" ist ein moralischer Appell, der von mehr oder weniger guten Künstlern mehr oder weniger frei gestaltet wird. Doch der Übergang ist fließend – wie etwa bei Constantin Meuniers Dockarbeiter von 1893 an der Sachsenhäuser Auffahrt zur Friedensbrücke: Von schwerer Arbeit gezeichnet, doch stolz steht er da. Er fordert kein Mitleid, sondern sein Recht – nicht nur für sich, sondern auch für die anderen. Vergesst nicht die, welche die schwerste Arbeit tun!
Meist hat man sich bald nach den Einweihungsfeierlichkeiten an ein Denkmal oder Mahnmal gewöhnt. Man geht vorbei und seinen Geschäften nach. Nur die japanischen Touristen fotografieren es auf alle Fälle als etwas Besonderes. Der überlange Goethe mit dem Lorbeerkränzchen in der Linken erinnert zwischen den Banktürmen daran, dass es in Little Big City nicht nur um Geld gehen soll, sondern auch um Geist. Oder am besten um beides.
Da die meisten Einwohner ein Denkmal nicht weiter beachten, ist die Mahnung allerdings umsonst. Wozu also Denkmäler, wenn sie keine Wirkung haben? Es ist das Selbstverständnis der Stadt, die sich derart den Fremden darstellt. Denkmäler akzentuieren das Image. Während Residenzstädte an Fürsten und Bischöfe erinnern, denen sie Schlösser und Kirchen verdanken, wenn nicht gar ihre Gründung, gedenkt Little Big City seines klugen Weltbürgers. Die einen nennen sich Barockstadt, Little Big City will "Weltkulturstadt" werden.
Frankfurt war freie Reichsstadt, und in der Paulskirche trat später das erste Parlament zusammen. Die Freiheit ist es, die Little Big City seit je ausgezeichnet hat. Als Patin von Bürgersinn und Krämergeist gehört sie zur großen Tradition dieser Stadt, deren Liberalität sich auch heute in der Gelassenheit gegenüber Ausländern beweist. Müssen andere ihrer Fürsten gedenken, erinnern wir uns eines Dichterfürsten – ohne dabei freilich das "Business" zu vergessen.

Frankfurter Rundschau v. 17.03.2003, S. 13