Galerie Sofie Van de Velde. Antwerpen
11. Januar – 3. März 2020
William Anastasi
Kirstin Arndt
John Beech
Monika Grzymala
Jochem Hendricks
Ann Veronica Janssens
Sandra Kranich
Axel Malik
Guy Mees
Hiroko Nakajima
Charlotte Posenenske
Franziska Reinbothe
Michael Reiter
Willy De Sauter
Herbert Warmuth
Martina Wolf
Ausstellungsansicht. Galerie Sofie Van de Velde, Antwerpen, 2020
Sandra Kranich, Ann Veronica Janssens, Charlotte Posenenske
Über die implizite Bewegung. Bewegung ist der Inbegriff von Lebendigkeit. (Die selbstverständliche Tatsache, dass jedes Produkt das Ergebnis von (Arbeits-)Bewegung ist, lasse ich unberücksichtigt.) Vor der Erfindung des Films konnte Bewegung nicht dargestellt, sondern in Skulptur und Malerei nur angedeutet werden: die Haltung eines Körpers und seiner Glieder weist auf eine zukünftige oder vergangene Bewegung hin. Sie muss geschlussfolgert werden und existiert nur in der Vorstellung des Betrachters. Die Bewegung des Betrachters andererseits, der unterschiedliche Aspekte des Kunstwerks wahrnimmt, ist selbstverständlich. Gleichwohl haben die Künstler immer wieder den Ehrgeiz, Bewegung auszudrücken. Die Holzbildhauer der Gotik Veit Stoss oder Tilman Riemenschneider, aber auch die Maler der italienischen Renaissance realisierten die Bewegung etwa des heranbrausenden Verkündigungsengels, indem sie das Flattern seines Gewandes darstellten, das jedoch anmutet wie eingefroren. Die großen römischen Barockarchitekten Borromini und Bernini thematisierten Bewegung in der Architektur: die Wände ihrer Kirchenbauten scheinen bewegt. Die Diagonale, der Indikator für Bewegung, wird in der Barock-Malerei ein Kompositionsprinzip. Mondrian und van Doesburg, die Vertreter der niederländischen de Stijl-Bewegung, entzweiten sich, weil letzterer die Diagonale in die Malerei einführte. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts thematisierten die italienischen Futuristen Geschwindigkeit als die dominante Dimension der Moderne. Bei allen Versuchen blieb Bewegung implizit. Der Anspruch, sich die Bewegung vorzustellen, antizipiert die auf Umberto Eco basierte semiotische Rezeptionstheorie („Das offene Kunstwerk“, 1968), der zufolge ein Kunstwerk durch die Vorstellungen des Betrachters vollendet wird.
Zu unserer Ausstellung: John Beechs (USA) Arbeit ist mit Rädern versehen. Die gemalten Falten auf Herbert Warmuths (D) Bildern und die echten Falten auf Franziska Reinbothes (D) Wandarbeiten bezeugen eine vergangene Bewegung. Charlotte Posenenskes (D) offene Installationen aus Stahlblechrohren sind Fragmente, die variiert oder fortgesetzt werden können. Sandra Kranichs (D) Arbeit ist das Resultat eines Feuerwerks. Michael Reiters jolly trellis ist manuell veränderbar. Martina Wolfs (D) Arbeit ist ein „bewegtes Bild“, insofern auf einem scheinbaren Foto eine ausdrückliche Bewegung auftaucht. Axel Malik (D) schreibt seine „Zeichen“ in größter Geschwindigkeit und unterläuft so den Zugriff des Bewusstseins. Jochem Hendricks‘ (D) Augen-Zeichnungen sind computertransformierte Manifestationen seiner Augenbewegungen beim Betrachten. Monika Grzymalas (D) durch den Raum gespannte Klebebänder suggerieren einen explosiven Vorgang. William Anastasis (USA) „subway drawings“ sind eine seismografische Übertragung des Rüttelns der New Yorker U-Bahn. Kirstin Arndts (D) Wandobjekte dehnen sich nach dem Scherenprinzip aus. Hiroko Nakajima’s (J) Malerei basiert auf der schnellen Pinselführung der japanische Kalligraphie. Willy De Sauters (B) Arbeit zeigt eine Abfolge von weiß zu schwarz. Die Fotografien von Guy Mees (B) zeigen eine Variation. Auf Ann Veronica Janssens (B) kreisförmigen Wandobjekt erzeugt das Licht eine scheinbare Bewegung. BURKHARD BRUNN